EU-Gegner feiern Wahlerfolg "Ein schrilles Warnsignal"
26.05.2014, 21:46 Uhr
Die großen Gewinner der Europawahl sind die EU-feindlichen Parteien: Sie legen in fast allen Mitgliedstaaten stark zu, in einigen Ländern bilden die Radikalen sogar die stärkste Kraft. Ein Ergebnis, das den etablierten Parteien als Weckruf dienen sollte, findet die deutsche Presse.
"Es ist höchste Zeit, dass sich die pro-europäischen Parteien zusammentun, um die Bürger Europas zu überzeugen.", meint die Oldenburger Nordwest-Zeitung: "Stattdessen aber feilschen sie in Hinterzimmern über die künftige Besetzung der europäischen Spitzenämter. Genau diese Form von Politik ist es, die Europas Bürger von Europa entfremdet. Nur ein Europa, das den Bürger in den Mittelpunkt stellt, wird auf Dauer Bestand haben. Dazu braucht die EU eine soziale Komponente - und die Möglichkeit für einzelne Staaten darüber zu entscheiden, welchen Integrationsschritt sie mitgehen wollen. Wer den Bürgern die Entscheidungsgewalt über die eigene Zukunft zurückgibt, wird feststellen, dass sie gar nicht so antieuropäisch sind, wie es seit Sonntag den Anschein hat."
"Es hilft kein Anstimmen des üblichen Jammergesanges über populistische Parteien." Beim Offenburger Tagblatt ist man sich sicher: "Diese Gruppierungen und auch deren Wähler lassen sich kaum mit Diskussionen über Inhalte eines Besseren belehren. Der einzige Weg, die verlorenen Stimmen für Europa zurückzugewinnen, liegt in der Demokratisierung der EU. Hat das Parlament ein gewichtiges Wort bei der Wahl des Kommissionspräsidenten mitzusprechen und besteht irgendwann die Chance, ihn selbst zu bestimmen, dann wäre das ein Signal an die Bürger, dass die Volksvertretung und damit die Menschen ernst genommen werden. Nur wer politische Teilhabe innehat und diese auch spürt, kann an der Wahlurne Verantwortung zeigen und neigt weniger zu Protestverhalten."
Die Sächsische Zeitung aus Dresden fordert ebenfalls Veränderungen: "Sollen die Europagegner keinen weiteren Zulauf gewinnen, muss sich die EU reformieren und die europäische Idee als Ganzes neuen Schub erhalten. Das Projekt wird nicht dadurch attraktiver, dass man die Wahl zu einer Entscheidung zwischen zwei Personen macht, die politisch nicht weit auseinanderliegen. Entscheidungen in Brüssel durchschaubarer machen, bürokratische Regeln abschaffen, Verschwendung von Milliarden beenden und Millionen jungen Europäern ohne Job eine Perspektive geben - damit wäre schon viel gewonnen."
"Paris und London scheinen weit entfernt von Berlin: Während Frankreich und Großbritannien mit den Folgen eines politischen Erdbebens kämpfen, feilschen Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Gabriel in Berlin bereits um den EU-Chefposten. Wer will sich da noch über Politikverdrossenheit wundern?", fragen die Westfälischen Nachrichten aus Münster: "Klar, die EU braucht einen starken Präsidenten. Aber Europa braucht endlich wieder ein menschliches Gesicht. Der Erfolg der radikalen Parteien ist ein schrilles Warnsignal: Die Menschen haben andere Sorgen. Arbeitslosigkeit und soziale Verwerfungen durch rigide Sparoperationen haben den Kontinent erschüttert. Nun ist es Zeit, sich auf das Europa der Bürger zu besinnen."
Auch die Pforzheimer Zeitung stellt fest: "In Großbritannien gewinnt eine Partei, die am liebsten die gesamte EU auflösen möchte und in Griechenland siegt die radikale Linke, die der Europäischen Union ungefähr so positiv gegenübersteht wie der Ku-Klux-Klan der Schwarzenbewegung. Doch in Brüssel scheint niemand den Knall des Protestes vernommen zu haben. Schon am Wahlabend ging das Geschacher um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten los. Dabei hat die EU andere Sorgen: Ihr gehen die Bürger verloren. Wenn die Politiker das nicht kapieren, rückt der europäische Abgrund schnell näher. Die ersten Schritte in diese Richtung sind schon getan."
Zusammengestellt von Laura Kleiner
Quelle: ntv.de