Dienstwagen-Affäre "Eine Bürde für Steinmeier"
18.08.2009, 21:23 UhrNach neuen Informationen über die Dienstwagen-Nutzung von Ulla Schmidt in Spanien-Urlauben haben CDU und FDP ihr den Rücktritt als Ministerin und SPD-Wahlkämpferin nahegelegt. Doch die Gesundheitsministerin schließt einen Rückzug aus.
"Obwohl es auch um Staats-, also Steuergelder geht, ist die Angelegenheit keine Staatsaffäre", kommentiert Die Welt das Verhalten der Ministerin. "Selbst wenn sich Ulla Schmidt in der Dienstwagen-Affäre unkorrekt verhalten haben sollte: Ein Beweis für die Korruptheit und die Selbstbedienungsmentalität der Politiker ist das nicht." Dennoch, so das Blatt, sei Schmidts Hin und Her symptomatisch und in hohem Maße blamabel: "In der Dienstwagen-Affäre spiegelt sich ein allgemeiner Charakterzug der Politikerin Ulla Schmidt: Macht hat man, um sie bis zur Neige auszuspielen. Auch auf die Gefahr hin, der eigenen Partei ein noch schlechteres Wahlergebnis zu bescheren. Um einen der SPD wichtigen Wert zu bemühen: Solidarisch ist das nicht."
Formal, so der Mannheimer Morgen, mag alles mit rechten Dingen zugegangen sein. "Doch darum geht es nicht. Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim, und der moralische Schaden ist weitaus größer als der materielle. Während die Reallöhne der abhängig Beschäftigten in den letzten Jahren gesunken sind und die Zahl derer steigt, die auf Arbeitslosenhilfe II oder Grundsicherung angewiesen sind, lässt sich eine Ministerin auf Steuerzahlers Kosten in den Urlaub kutschieren, Chauffeur inklusive. Das kommt gerade vor einer Wahl schlecht an, zumal Schmidt mehr vertuscht als offen gelegt hat."
Die Frankfurter Rundschau vergleicht Ulla Schmidt mit einer Bürde für den SPD-Kanzlerkandidaten: "Sie hat sich ihre Wahrheit so zurechtgetrickst, wie es kein Patient tun kann, wenn es um seine zehn Euro Praxisgebühr geht. Deshalb ist sie für Steinmeier auch keine Hilfe mehr, sondern eine Bürde. Eine Bürde, die er sich nicht leisten kann, wenn er denn wirklich noch um den Sieg kämpfen will."
Auch die Kölnische Rundschau unterstreicht, dass niemand, auch Ulla Schmidt nicht, gegen geltende Regeln verstoßen habe. Die Affäre zeige aber, wie dringend geklärt werden müsse, auf welche Ausstattung, auf welches Niveau von Personenschutz und auf welche Logistik die Regierungsmitglieder zurückgreifen können sollten: "Erstens sind sie auch im Urlaub immer im Dienst, weil sie zu jeder Tag- und Nachtzeit regieren, reagieren müssen. Zweitens aber stehen sie in der Pflicht, allen daraus entstehenden Versuchungen zu widerstehen. Deshalb reicht es, drittens, nicht, den Betroffenen selbst allzu großen Ermessensspielraum einzuräumen. Die Richtlinien gestatten es Regierenden, die Limousinen auch privat zu nutzen, gar selbst zu fahren, Fremde mitzubefördern, einen Fahrer einzubestellen. Geldwerter Vorteil muss versteuert werden. Dem Bürger ist das zu wenig. Er ahnt, wie leicht Fahrten umgewidmet und Bedürfnisse geltend gemacht werden können, wenn nur der Chef ein Auge zudrückt - vor allem, wenn der Minister selbst der Chef ist."
Die Allgemeine Zeitung aus Mainz nimmt auf die Rücktrittsforderungen aus den Reihen der CDU und FDP Bezug: "Wenn die Terrier in Union und FDP noch lange so weitermachen, könnten ihre Attacken gegen die Bundesgesundheitsministerin bald ihren eigenen Parteien schaden. Ulla Schmidt ist rein rechtlich nämlich trotz noch so intensiver Nachforschungen bisher kaum am Zeug zu flicken. Das meint selbst der Bund der Steuerzahler und der steht nicht im Ruf, seine Hand über verschwenderische Politiker zu halten."
Die Abendzeitung betrachtet die Lage differenzierter: "Rechtlich hat sich die Gesundheitsministerin nichts zuschulden kommen lassen. Wer die Dienstwagenregeln nicht mag, kann ja ihre Änderung fordern. Doch darum geht es den zwei Lagern der Schmidt-Beschimpfer nicht: Die Wahlkämpfer wollen vor allem Steinmeier beschädigen, und die Ärzteverbände schießen immer gerne gegen ihre Intimfeindin. Dabei gehört Ulla Schmidt neben Horst Seehofer durchaus zu den Besseren in ihrem Amt. Der groteske Fonds war nicht ihre Idee, sondern der Versuch von Schwarz und Rot, zwei unvereinbare Konzepte zusammenzuzwingen. Und dass die Kosten im Gesundheitswesen steigen und etwa über Zuzahlungen aufgefangen werden, ist nicht ihre persönliche Schuld, sondern ist von ihr im Kampf gegen Lobbyisten sogar noch gemildert worden." Schließlich fügt das Münchner Blatt hinzu: "Helfen wird es ihr nichts mehr, nach der Wahl dürfte sie weg sein."
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de