Pressestimmen

Ruhrgebiet begehrt auf "Eine absurde Situation"

Mehrere hoch verschuldete Städte im Ruhrgebiet zetteln zum Auftakt des Wahlkampfes in Nordrhein-Westfalen einen neuen Streit über den Solidarpakt Ost an. Die Oberbürgermeister von Dortmund, Oberhausen, Essen und Gelsenkirchen fordern einen schnelleren Ausstieg aus den Milliardenhilfen. Und wie klingt das Zeitungsecho?

Der Berliner Tagesspiegel meint:"Am besten wäre es, wenn bei den Politikern in Bund, Ländern und Kommunen endlich die Einsicht reifen würde, dass das nahende Ende des Solidarpakts auch das Ende der Hochbelastungsphase bei Steuern und Abgaben bedeutet. Die Jahrhundertaufgabe der Einheitsfinanzierung ist dann zwar nicht erledigt, aber sie wird überschaubar. Und man kann nicht alle paar Jahre mit Jahrhundertaufgaben kommen. Daher muss mit dem Solidarpakt auch der Solidaritätszuschlag verschwinden. Die Politik in Ost und West muss einfach lernen, wieder mit weniger auszukommen. Ganz solidarisch. Mit uns, den Steuerzahlern."

Die Saarbrücker Zeitung schreibt: "Deutschland, manche haben das vergessen, ist als 'sozialer Bundesstaat' definiert. Da steht nichts von Wettbewerbsföderalismus im Grundgesetz oder dass sich jeder selbst der Nächste ist. Allerdings, da steht auch nichts von einem Gewohnheitsrecht, Geld zu nehmen. Diese solidarische Lösung wird ganz sicher nicht im Wege des Hauens und Stechens gefunden werden können. Wahrscheinlich wird der Prozess sogar einen Mediator brauchen. Herr Bundespräsident Gauck, übernehmen Sie. Bis dahin sollten Politiker aller Couleur und Regionen aufhören, mit der Missgunst zu spielen. Ein Land fällt leichter auseinander, als es zusammenzufügen ist. Im geteilten und dann mühsam wiedervereinigten Deutschland müsste man das eigentlich noch wissen."

Leerstand in Duisburg - kein seltener Anblick im Ruhrgebiet.

Leerstand in Duisburg - kein seltener Anblick im Ruhrgebiet.

(Foto: dapd)

Die Braunschweiger Zeitung fasst zusammen: "Es geht aber nicht um eine plumpe Neiddebatte, es ist nicht populistisch, wenn Westpolitiker den Solidarpakt auf den Prüfstand stellen. Es geht um neue Realitäten. Der Solidarpakt II läuft noch bis 2019. Sieben Jahre sind einfach zu lang. Freuen wir uns doch, dass Boomregionen wie Leipzig, Dresden und Teile von Thüringen so schnell den Anschluss geschafft haben. Die Lausitz aber und Vorpommern müssen weiter gefördert werden - ebenso wie Oberhausen, Essen, Duisburg und Bremerhaven. Nicht mehr die Himmelsrichtung muss künftig das Kriterium für Ausgleichszahlungen sein, sondern der Bedarf."

Die Märkische Oderzeitung gibt zu bedenken: "Es besteht kein Zweifel daran, dass es Regionen und Städte im Westen gibt, die dringend der Unterstützung bedürfen. Es stimmt aber keineswegs, dass der Osten im Geld schwimmt. Wie in ganz Deutschland existieren hier arme und ganz arme Kommunen. Für sie alle müssen Lösungen gefunden werden. Es gibt den Vorschlag, den Solidaritätszuschlag in einen bundesweiten Fonds für strukturschwache Regionen umzuwandeln. Ja, warum nicht? Schade nur, dass die Debatte derzeit für den Wahlkampf missbraucht und auf dem Rücken der Ostdeutschen ausgetragen wird."

Die Nürnberger Nachrichten schreiben: "Die Rechnung 'armer Osten, reicher Westen' geht schon lange nicht mehr auf. Deswegen hat der Solidarpakt in der bisherigen Form seinen Sinn verloren. Es müsste daraus ein 'Städte-in-Not-Soli' werden - völlig unabhängig davon, in welcher Region diese Kommunen liegen. Dann wäre es zwar immer noch so, dass ein guter Teil des Geldes in die aus der DDR entstandenen Länder transferiert würde, aber es käme nicht zu solch haarsträubenden Ungerechtigkeiten, wie sie jetzt zu beobachten sind."

Die Bild-Zeitung stößt in eine ähnliche Richtung: "Kaputte Straßen im ganzen Westen, goldene Bürgersteige überall im Osten? Nein, natürlich nicht. Aber wahr ist: So wenig, wie es den rundrum reichen Westen gibt, so wenig gibt es heute noch den armen Osten in Deutschland. Deshalb haben viele westdeutsche Städte recht, wenn sie jetzt gegen die Solidar-Zahlungen gen Osten aufbegehren. Es kann nicht sein, dass diese West-Städte wegen ihrer Zahlungspflichten Schritt um Schritt zwangspleitegehen - also dem Osten so lange helfen müssen, bis ihnen selbst nicht mehr zu helfen ist. Die Politik muss endlich anfangen zu unterscheiden: Nicht jede Stadt im Westen kann noch geben. Nicht jede Region im Osten muss noch nehmen. Wichtiger als überall in Deutschland unbedingt 'gleiche Lebensverhältnisse' herstellen zu wollen, ist, dass das Geld dahin fließt, wo es wirklich gebraucht wird - egal ob in Ost oder in West."

Und die Pforzheimer Zeitung meint: "Eine absurde Situation, die dem gleich gebliebenen, veralteten Grundmuster geschuldet ist: Arm ist, wo Osten ist - ob dies nun der Realität entspricht oder nicht. Essen zahlt, genauso Bremen, das eine Hartz-IV-Quote von über 25 Prozent aufweist. Da wundert die scharfe Kritik der Beschwerdeführer nicht. Wer erleben muss, wie zu Hause der Putz von der Decke bröselt, kann und will sich nicht beim Nachbarn um den Garten kümmern."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmitt

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