Pressestimmen

Katholiken haben neuen Papst Er ist "etwas zu links"

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(Foto: AP/dpa)

Die Papstwahl ist ein Zeichen dafür, was mit der Kirche in den kommenden Jahren passiert. Aber in welche Richtung deutet es? Die Kommentatoren der deutschen Zeitungen sind sich einig: Der neue Papst ist ein Progressiver, der ganz andere Akzente als sein Vorgänger setzen wird.

Natürlich ist die Papstwahl ein Zeichen dafür, was mit der Kirche in den kommenden Jahren passiert. Aber in welche Richtung deutet es? Die Kommentatoren der deutschen Zeitungen sind sich recht einig: Der neue Papst ist ein Progressiver, der ganz andere Akzente als sein Vorgänger setzen wird.

Ganz begeistert beginnt die Südwest Presse ihren Kommentar: "Was für ein Signal! Mit der Wahl des Argentiniers Jorge Mario Kardinal Bergoglio setzt die katholische Kirche ein Zeichen des Aufbruchs. Sie wendet sich mit der Person des Jesuiten den Kontinenten zu, die mehr und mehr das Gesicht der Weltkirche prägen. Zu Ende geht die Zeit der eurozentrierten Kirche. Mit Bergoglio kommt ein krisenerfahrener Papst. Die Zeit der Militärdiktatur hat sein Leben geprägt. Kritiker werfen ihm jedoch zu große Nähe zu den Machthabern vor. Aber der Kardinal von Buenos Aires hat auch ein anderes Gesicht. Er gilt als entschiedener Anwalt der Armen. Die konkreten Nöte der Menschen prägen seine Pastoral in dem wirtschaftlich gebeutelten Land, nicht theologische Feinsinnigkeiten. Das darf jenen Hoffnung machen, die sich nach Nähe der Kirchenspitze zum Volk sehnen."

Auch das Niedersächsische Tageblatt sieht große Veränderungen auf die Kirche zukommen: "Und sie bewegt sich doch! Mit dem Argentinier Jorge Bergoglio öffnet sich die Katholische Weltkirche in der Person des Papstes. Mit seinem gewählten Papst-Namen Franziskus sendet das neue Kirchenoberhaupt gleich zwei Signale. Zum ersten sieht er sich nicht in einer fortzuführenden Traditionslinie eines Vorgängers, sondern will eigene Akzente setzen. Der Anklang an Franz von Assisi, den Begründer des Armutsordens der Franziskaner, gibt einen Fingerzeig auf ein gestärktes soziales Gewissen der Kirche, aber auch auf bewahrende Prinzipientreue. Denn der Heilige Franz von Assisi wollte das Haus Gottes wiederaufbauen, indem er sich direkt an Jesu und den Aposteln orientierte. Ein Papst, der wie sein Namenspatron ein stärkeres Augenmerk auf die Bewahrung der Schöpfung legt, wäre ein gutes Signal im Zeitalter des Klimawandels.

Der Mannheimer Morgen erinnert an das Erbe, das Franziskus nun antritt: "Theologisch hat Benedikt XVI. große Schuhe, innerkirchlich einige Diskussionsthemen hinterlassen. Ein halbes Jahrhundert nach dem Reformkonzil wäre es für die katholische Kirche ratsam, an die Aufbruchsstimmung von damals anzuknüpfen. Das Charisma, Menschen anzusprechen, scheint Franziskus zu besitzen. Er sollte es zum Dialog nutzen."

Doch wie viel Zeit bleibt dem Papst für Veränderungen? Die Westdeutsche Zeitung sieht in der Wahl eine Zwischenlösung: "Mit seinen fast 77 Jahren scheint Papst Franziskus eher ein Kirchenfürst für den Übergang zu sein. Vielleicht ist der 'Kardinal der Armen' aus Buenos Aires aber auch selbst eine der Antworten auf die drängenden Fragen zur Zukunft der katholischen Kirche. In einer Zeit, die geprägt ist von Egoismus und Existenzängsten, sind Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Zuversicht Tugenden, die Gesellschaften zusammenhalten können."

Die Rhein-Neckar-Zeitung zeigt sich beeindruckt von der Volksnähe des neuen Pontifex: "Wir haben einen Papst – und seine Wahl ist eine ziemliche Überraschung. Jorge Bergoglio ist aus römischer Kuriensicht etwas zu links, aus kirchenkritischer Sicht etwas zu alt und aus politischer Sicht stellt die Wahl eines Latinos zum Papst durchaus eine Sensation dar. Einer, der die Armut ebenso bekämpft wie die Korruption, der sich mit der argentinischen Herrschaftsdynastie von Nestor und Christina Kirchner anlegte, einer, der Limousine und Chauffeur gegen die U-Bahn von Buenos Aires eintauschte. Mit so einem hatte schlicht niemand ernstlich gerechnet."

Von einer "Jahrhundert-Chance" spricht die Augsburger Allgemeine: "Die Diskussionen im Vor-Konklave legen nahe, dass nach den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. der Wunsch nach einer Öffnung unter den Kardinälen weit verbreitet ist. Der neue Papst wird dies nicht ignorieren können und möglicherweise die Vielfalt des Katholischen stärker betonen als die Einheit, wie dies Benedikt tat. Die Kirche befindet sich in einer historischen Umbruchphase. Franziskus hat eine Jahrhundert-Chance, sie zu modernisieren."

Quelle: ntv.de

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