Pressestimmen

Die SPD vor dem Scherbenhaufen "Es gibt kein Weiter so"

Die SPD sieht nach ihrer desaströsen Niederlage in der Bundestagswahl schweren Zeiten entgegen. Die Presse bezweifelt jedoch, dass sie die Herausforderungen inhaltlich und personell richtig angeht.

Einen beschwerlichen Weg durch die Oppositionszeit sagt die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg voraus: "Für die Sozialdemokraten beginnt die Zeit der Erneuerung in der Opposition. Und sie werden vermutlich mehr als einen Parteichef, als einen Fraktionschef verschleißen, bis sie wieder ins Berliner Kanzleramt wird ziehen können."

Bundesarbeitsminister Scholz im Willy-Brandt-Haus.

Bundesarbeitsminister Scholz im Willy-Brandt-Haus.

(Foto: dpa)

Geht es nach der Oldenburger Nordwest-Zeitung, muss die SPD ihren Kurs drastisch ändern: "Ein Weiter so kann es für die Sozialdemokraten nicht geben." Schließlich ließen die Wahlstatistiken auf eine düstere Zukunft schließen: "Besonders in der Gruppe der jüngeren Wählerinnen und Wähler rangiert die älteste deutsche Partei unter ferner liefen. Ein Menetekel."

Der Kölner Stadtanzeiger sieht die SPD nach der historischen Wahlpleite vor einem schwierigen Spagat: "Die Partei muss die verbliebenen Reste an Volkspartei zusammenfegen, einen Neuanfang in Aussicht stellen und gleichzeitig sehen, dass das ganze Gebilde SPD nicht buchstäblich auseinanderfliegt." Unter diesen Voraussetzungen sei es zu verstehen, dass Parteichef Müntefering nicht sofort zurücktritt. "Er hält zusammen, was auseinander strebt und markiert zumindest ein Kräftezentrum auf Zeit."

Den angekündigten Rückzug des Parteivorsitzenden bewertet die Allgemeine Zeitung aus Mainz: "Franz Müntefering ist kein Sündenbock, auch kein Bauernopfer. Wenn er als Parteichef geht, dann ist das nur folgerichtig. Auch, weil er ein Alter erreicht hat, in dem es nicht ehrenrührig, sondern klug ist, zu gehen." Außerdem habe sein umjubeltes Comeback der SPD nicht die gewünschte Wirkung gegeben:" Er hat im Wahlkampf nie die Wirkung erzielt, die sich manche erhofften."

Die Nordsee-Zeitung aus Bremerhaven bezweifelt, dass der gescheiterte Kanzlerkandidat Steinmeier der richtige Mann für einen Neuanfang ist: "Der Sozialdemokratie ist die Idee abhanden gekommen und das Personal dazu gleich mit. Warum sonst soll als erster Schritt zur Erneuerung der Partei Frank-Walter Steinmeier den Fraktionsvorsitz übernehmen? Weil er Wahlkampf so gut konnte? Weil er seinen Deutschlandplan so gut verkaufte?" Die Partei reagiere völlig falsch auf das Debakel, meint das Blatt: "Schockschwerenot, wenn die Wähler eines nicht wollten, dann ist es doch wohl Kontinuität bei den Genossen. Hallo, ist da sonst niemand mehr im Willy-Brandt-Haus?"

Über den zukünftigen inhaltlichen Kurs räsonieren die Westfälischen Nachrichten: "Münteferings politische Erben werden nun, im Scherbenhaufen ihres Scheiterns stehend, die Enttabuisierung der Linkspartei vorantreiben." Zwar entspreche das nicht einer inneren Überzeugung, aber der Einsicht, "ohne eine solche Bündnis-Option die Machtfrage erst gar nicht stellen zu können." Die Personalie Steinmeier beurteilt auch die Zeitung aus Münster skeptisch: "Ob ausgerechnet Frank-Walter Steinmeier eine solche Linkswende der SPD halbwegs authentisch zu verkörpern vermag, muss sich erst erweisen."

Die Hinwendung zur Linkspartei könnte zumindest auf Länderebene sehr schnell erfolgen, wie das Beispiel Brandenburg zeigt: "Hätte die Bundes-SPD ein halbwegs erträgliches Ergebnis eingefahren, hätte Matthias Platzeck in Brandenburg die Koalitionsfrage in unaufgeregter Unabhängigkeit entscheiden können." Zwar sei er wegen seines guten Ergebnisses zu nichts gezwungen, schreibt die Potsdamer Märkische Allgemeine. Allerdings könne eine geschwächte SPD nur noch über den Hebel Bundesrat gesetzgeberisch etwas bewirken. "Insofern haben rot-rote Konstellationen nicht nur im Saarland oder in Thüringen, sondern auch in Brandenburg machtpolitisch einen höheren Stellenwert bekommen."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Christian Bartlau

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