Ergebnisse der Grundschulstudien "Es hat sich nichts gebessert"
11.12.2012, 21:28 Uhr
Die deutschen Grundschüler haben im internationalen Vergleich ein gutes Leistungsniveau bewiesen.
(Foto: dpa)
Deutschlands Viertklässler landen im internationalen Ranking der EU-Staaten und der OECD-Länder im oberen Drittel. Dies geht aus der neuen Iglu-Lesestudie und der Timss-Mathematikstudie hervor. Die Leistungen der Grundschüler im Lesen, in Mathematik und den Naturwissenschaften bilden die Grundlage für den Vergleich. Trotz des überdurchschnittlichen Abschneidens, haben sich die deutschen Schüler im Vergleich zu früheren Studien nicht verbessert. Die deutsche Presse konstatiert einen Mangel an Elitenförderung bei gleichzeitiger Vernachlässigung der sozial benachteiligten Schüler.
Der Tagesspiegel bemerkt, der Rückstand der Schüler mit Migrationshintergrund betrage, trotz aller Erfolge der Migrationsförderung, weiterhin ein ganzes Schuljahr und bemängelt, "dass Deutschland sich weiterhin ein Fünftel Viertklässler leistet, die kaum Chancen auf eine erfolgreiche weitere Schullaufbahn haben - so weit abgeschlagen vom Mittelfeld sind ihre Ergebnisse". Auch in der Elitenförderung herrsche Nachholbedarf: "Nur zehn Prozent zeigen Spitzenleistungen. Die übrigen Talente werden vergeudet, während andere Länder Spitzengruppen hervorbringen, die doppelt so groß sind".
"Die Elite des Schülernachwuchses wird zu wenig gefördert", beanstandet auch die Stuttgarter Zeitung: "Für ein Land, das von sich behauptet, die wichtigste Ressource seien kluge Köpfe, ist das eine sträfliche Unterlassungssünde." Viele der Bildungsreformen seien "eher nivellierend als anspornend für Spitzenschüler". Ganztagsschulen, so die Zeitung weiter, seien "leider viel zu häufig nur Ganztagsverwahranstalten - die Zeit wird im Sinne der schulischen Förderung nicht ausreichend genutzt".
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erhofft sich durch die Ergebnisse der Schulstudien eine erhöhte Aufmerksamkeit für das Thema Spitzenförderung: "Wenn sich die späte Erkenntnis der Kultusminister durchsetzte, dass besonders begabte Schüler dieselbe Aufmerksamkeit und Förderung verdienen wie die leistungsschwachen, dann hätten die Vergleichsstudien Iglu und Timss zu einem echten Sinneswandel beigetragen. (...) Den Schwächsten wie den Stärksten in zunehmend gemischten Klassen mit hohem Einwandereranteil in gleicher Weise gerecht zu werden, ist für die Lehrer ungemein schwierig. Ohne eine innere Differenzierung mit unterschiedlich schwierigen Aufgaben und ausgedehnten Übungs- und Wiederholungsphasen für die verschiedenen Leistungsgruppen wird es nicht gehen. (...) Deutschland darf sich nicht damit zufriedengeben, die Leistungsfähigkeit der Grundschulen erhalten zu haben".
Ganz anders sieht es der Kölner Stadt-Anzeiger: "Es ist ein Paradox unserer aufs Gymnasium fixierten Gesellschaft: Die Grundschulen werden gering geschätzt, obwohl sie Großes leisten", kommentiert die Zeitung und fügt lobend hinzu: "Gemeinsames Lernen muss nicht der Untergang des Leistungsgedankens sein, wie die beiden Studien Iglu und Timss belegen. So sitzen auch in der fünften Gymnasialklasse Schüler, die ein Buch nach dem anderen verschlingen neben solchen, die massive Lese-Schwierigkeiten haben. Wie Lehrer mit solchen Unterschieden umgehen, können die Gymnasien sich bei den Grundschulen abschauen. Die beiden Bildungsstudien sind eine klare Anerkennung dieser Schulform, die in Deutschland zu Unrecht benachteiligt wird".
Die Süddeutsche Zeitung beleuchtet den weiterhin kritischen Aspekt der sozialen Herkunft: "Sozialer Aufstieg fängt bereits in der Grundschule an - und in viel zu vielen Fällen endet er auch dort - durch mangelnde Förderung, Desinteresse der Eltern und unfaire Bewertungen durch Lehrer. Dies zeigen die Grundschulstudien Timss und Iglu, die am Dienstag vorgestellt wurden. Gemeint ist vor allem die Unwucht bei der Empfehlung für höhere Schulen wie das Gymnasium". Dies sei der Skandal in diesen eigentlich unspektakulären Untersuchungen, so die Zeitung weiter. Und sie begründet: "Jahr um Jahr, Studie um Studie haben die Fachleute bemängelt, Pädagogen ließen sich in ihrem Urteil zu sehr von der sozialen Herkunft der Kinder leiten. Nun zeigt sich: es hat sich nichts gebessert".
"Über diese Studie können sich Eltern, Lehrer und Politiker freuen", schreibt die Bild-Zeitung, mahnt jedoch: "Im Vergleich zu anderen EU-Ländern stehen wir gut da. Aber: Das reicht lange nicht aus! Wenn jeder fünfte Viertklässler kaum rechnen kann, wenn jedes neunte Kind außerhalb der Schule nie ein Buch liest, ist das ein Warnsignal". Es sei außerdem alarmierend, so die Zeitung, dass nicht einmal jedes 15. Kind Spitzenleistungen bringe. Dies bedeute: "Wir lassen die Schwachen hängen und vergeuden die Top-Talente!" Es brauche also, so die Bild weiter, "mehr Ganzstagsschulen, kleinere Klassen, bessere Lehrer, weniger Unterrichtsausfall". Auch den Eltern komme eine Verantwortung zu, so die Zeitung abschließend.
Quelle: ntv.de