Pressestimmen

Minderheitsregierung in NRW "Feiglinge gibt es genug"

Nach langem Hin und Her hat sich Hannelore Kraft entschieden, mit einer Minderheitsregierung die Macht in NRW zu übernehmen. Diese Option ist "konsequent und politisch glaubwürdiger, als es Krafts Pläne eines Politikwechsels aus dem Parlament heraus waren", schreibt n-tv.de. Aber es ist ein risikoreicher Versuch, der Ausgang des Wagnisses ungewiss. Freuen können sich auf jeden Fall die NRW-Linke und die Berliner SPD.

Hannelore Kraft (l) und Sylvia Löhrmann wollen eine MInderheitsregierung in NRW bilden.

Hannelore Kraft (l) und Sylvia Löhrmann wollen eine MInderheitsregierung in NRW bilden.

(Foto: dpa)

Die Leipziger Volkszeitung hält sich an die Zeilen "In Gefahr und großer Not, bringt der Mittelweg den Tod" des Dichters Friedrich von Logau: "Lieber in geheimer aber mutiger Wahl einen Test für eine politische Gestaltungsmehrheit wagen als in der Oppositionsdeckung zu verharren, um vollmundig auf Fehler des abgewählten Jürgen Rüttgers zu warten. Feiglinge gibt es genug und, wie hat Franz Müntefering zu Recht gesagt: Opposition ist Mist. In NRW soll nun, spät aber noch rechtzeitig vor der Sommerpause, der rot-grüne Schwur die Geisterfahrt der schwarz-gelben Wahlverlierer beenden. Und im Bundesrat ist die Kanzlerin vermutlich bald ohne Mehrheit. Selbst wenn sich die Regierung zum Handeln entschlösse hätte sie es schwer. Das Risiko für Merkel wird größer, für Westerwelle riesengroß. Gut möglich, dass sich in Düsseldorf sehr viel mehr Unterstützer finden, als SPD und Grüne selbst an Mandaten haben."

Allerdings wird es für Kraft trotzdem nicht leicht werden, so die Ludwigsburger Kreiszeitung, denn sie komme nun " in den Geruch der Machtbesessenheit, was schon ihrer hessischen Parteifreundin Andrea Ypsilanti zum Verhängnis wurde. Vielleicht hat sich Kraft auch jemand aus den Reihen von CDU oder FDP offenbart, der sie zur Rüttgers-Nachfolgerin mitwählen würde. Doch selbst ein paar Ja-Stimmen neben dem eigenen Potenzial im Düsseldorfer Landtag können Kraft gefährlich werden." Denn wenn die Linken sie mitwählen, muss Kraft erklären, warum sie sich einer rot-rot-grünen Regierung verweigert hat. Die Linken werden sich sowieso "ins Fäustchen lachen", denn "eine SPD-Regierungschefin von ihren Gnaden im bevölkerungsreichsten Bundesland, das hätte wohl nicht einmal Oskar Lafontaine zu träumen gewagt. Die Linke kann jetzt bei jeder parlamentarischen Entscheidung den Daumen heben oder senken. Ursprünglich wollte Kraft diese Rolle besetzen, um Rüttgers vor sich her zu treiben. Nun liegt das Risiko allein bei ihr."

Als Wahlkämpferin gegen eine übermächtig erscheinende CDU und als konsequente Verhandlungsführerin im NRW-Machtpoker hat Kraft sich "einigen Respekt" erworben, analysiert das Badische Tagblatt. Trotzdem sei aber "äußerst fraglich, ob sie in der von ihr gewählten Konstellation nun auch eine gute Landesmutter werden kann. Ihre Minderheitsregierung mit den Grünen als Partner ist auf die Duldung der Linken angewiesen, und die hat Kraft selbst als nicht regierungsfähig bezeichnet. Ihrem Land hätte sie möglicherweise einen größeren Dienst erwiesen, wenn sie sich auf die stabile Lösung einer großen Koalition mit der CDU eingelassen hätte."

Für die Lüneburger Landeszeitung ist Sigmar Gabriel der Gewinner des Düsseldorfer Machtpokers: "Zwar würde man sich für das bevölkerungsreichste Bundesland stabilere Mehrheiten wünschen als ein Kabinett, das sich für jedes Vorhaben wechselnde Mehrheiten suchen muss. Und dennoch ist die Kehrtwende von Hannelore Kraft ein sinnvoller Versuch, der SPD die auf lange Sicht verloren geglaubte Machtperspektive neu zu öffnen. Nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch im Bund. Denn der Hauptprofiteur des Düsseldorfer Coups sitzt in Berlin: Sigmar Gabriel. Klappt der Griff nach der Macht in Düsseldorf, könnte Gabriel sein Versprechen an die Genossen einlösen, Schwarz-Gelb in den Arm zu fallen - nämlich im Bundesrat. Die SPD sitzt künftig quasi als unsichtbarer dritter Koalitionspartner am Kabinettstisch. Eine Position, von der aus Gabriel abwarten kann, ob der als Regieren getarnte Zermürbungskrieg von CDU und FDP im Bund die SPD sogar noch schneller wieder an die Macht spült."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

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