Guttenberg und der Fall Kundus "Fleck auf der Weste"
09.12.2009, 20:27 UhrVerteidigungsminister Guttenberg gerät wegen seiner ersten öffentlichen Bewertung des verheerenden Luftangriffs in Afghanistan stärker unter Druck. Das Internationale Rote Kreuz informierte ihn bereits vor seiner Aussage, der Angriff sei militärisch angemessen gewesen, über die zivilen Opfern.
Die Neue Westfälische aus Bielefeld meint dazu: "Es wäre klug, wenn Guttenberg seinen Fehler eingestehen könnte. Schiebt er die Verantwortung weiter auf andere, droht dem beliebtesten Minister ein unschöner Fleck auf seiner weißen Weste. Auch käme er im Untersuchungsausschuss mit solcher Uneinsichtigkeit nicht durch."
Die Rhein-Neckar-Zeitung sieht den Verteidigungsminister beschädigt, wenn sie schreibt: "Die schönen Tage als gefeierter Jungstar einer schon etwas ausgeleierten Regierung sind für Karl-Theodor zu Guttenberg vorbei. Er ist praktisch ohne Vorwarnung in der brutalen Realität eines Ministeriums angekommen, das nur zwei Wege kennt: Bestehen oder gehen. Dass jetzt versucht wird, mit ihm das personelle Glanzlicht der Union genüsslich auszublasen, ist nicht verwunderlich. Guttenberg hat sich in zwei Wochen mehr Feinde im Apparat geschaffen, als Jung in vier Jahren. Und wenn jetzt immer neue Details über Wissensstände durchgestochen werden, die den Schluss nahe legen sollen, auch er habe trotz ausreichender Faktenkenntnis das Bombardement verharmlost, lässt das auf Retourkutschen schließen. Doch jenseits des politischen Kampfes um seine Person, hat die Affäre Kundus unvermeidliche, und zwar negative Konsequenzen für die angedachte Aufstockung des deutschen Kontingents im Rahmen der amerikanischen Last-Minute- Offensive."
Die Märkische Oderzeitung beurteilt noch härter: "Nun beginnt der Stern zu Guttenbergs zu sinken. Fest steht, dass der Verteidigungsminister schon Anfang November viel mehr über den Luftschlag in Kundus wusste, als er öffentlich zugab. Zu diesem Zeitpunkt lagen ein NATO-Bericht und ein Papier des Internationalen Roten Kreuzes vor. Und es gab einen Bundeswehr-Bericht, der ebenfalls zivile Opfer detailliert auflistete. Davon will Guttenberg erst danach erfahren haben. Dafür wurde der Generalinspekteur gefeuert. Der Minister korrigierte vorige Woche seine Einschätzung des Angriffes - zu spät für einen, der jeden Tag von Wahrheit und Klarheit redet."
Das Flensburger Tageblatt sieht das anders: "Jenseits der Fakten stellt sich die Frage nach dem Umgang mit unserem politischen Personal. Dass zu Guttenberg am 6. November, dem Tag des vermeintlichen Fehltritts, gerade einmal eine gute Woche lang Verteidigungsminister war, scheint niemanden zu interessieren. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich muss man von einem Berufspolitiker jederzeit professionelle Arbeit erwarten können. Aber eine gewisse Schonfrist sollte man Amtsneulingen denn doch einräumen. Alles Weitere wird der Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre klären."
Das Westfalen-Blatt kann die Aufregung nicht verstehen: "In der gestern völlig unnötig aufgeflammten Debatte um Karl- Theodor zu Guttenberg klingt es beinahe so, als habe der Verteidigungsminister in Sachen Luftangriff nur ein einziges Wort gebraucht: 'angemessen'. Tatsächlich hat Guttenberg am 6. November, gerade im neuen Amt, deutlich mehr zur militärischen Bewertung des nächtlichen Bombardements von Zivilisten und Taliban in Afghanistan gesagt. Er hat auch von möglichen nichtmilitärischen Opfern auf der Sandbank im Kundusfluss gesprochen. Seine Worte waren: 'Ich gehe persönlich davon aus, dass es zivile Opfer gab. Dies bedauere ich sehr'. Weshalb also jetzt die Aufregung um einen Bericht des Internationalen Roten Kreuzes, der demnächst neben allen anderen Unterlagen im Untersuchungsausschuss zur Auswertung vorliegt? Nachdem auch durch Guttenberg alles Erforderliche gesagt wurde und die haarkleine Aufarbeitung beschlossene Sache ist, ist ein Stern, der in Hamburg aufgeht, vermutlich genauso unwichtig wie ein Sack Reis, der in China umfällt."
Quelle: ntv.de