Viele Ungereimtheiten bleiben Für Verschwörungstheorien ist kein Platz
03.05.2011, 22:48 UhrFreude zu empfinden über den Tod eines Massenmörders, der viele von Hass erfüllte Terroristen befohlen hat, ist unchristlich. Es ist aber auch unpolitisch, geben die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen nach dem Tod Osama bin Ladens zu bedenken. Vor allem die Politiker ihrer Meinung nach jetzt bei jeder öffentlichen Äußerung kurz innehalten. "Bedenke das Ende!", sollten sie sich stets sagen. Denn, ein zu lautes Freude empfinden über den Tod eines Menschenschinders weckt auch Sympathisanten und bereitet den Weg für neue Gewalt.
"Die Welt ist mit einiger Wahrscheinlichkeit nach der Liquidierung Bin Ladens kein sicherer Ort, aber sicherlich ist Washington für Barack Obama ein besserer Ort geworden", gibt die Berliner Zeitung zu bedenken "Den frenetischsten Beifall für 'strong leadership' erhält er von jenen, die ihn bislang erbittert bekämpften. Den arabischen Revolutionen hingegen schadet die Art und Weise, wie der Staatsfeind Nr.1 liquidiert wurde. Wer nach Recht und Gesetz strebt, braucht die Hilfe der demokratischen Großmacht USA, keine Demonstration vordemokratischer Willkür."
Auch wenn nach und nach mehr Details über den Tötungsvorgang in Abbottabad ans Licht kommen, bestreitet Obama, dass er zum Faustrecht gegriffen hat. Der Südkurier schreibt: "Ziel sei nicht die Tötung, sondern die Festnahme des Terrorführers gewesen, beteuert das Weiße Haus. Auch dass die pakistanische Regierung von nichts wusste, ist keineswegs erwiesen. Dennoch bleiben Ungereimtheiten. Warum warfen die Amerikaner die Leiche ins Meer, anstatt sie zur Obduktion in die USA zu bringen? Warum werden die Fotos unter Verschluss gehalten? Tatsache bleibt: Ein Prozess gegen bin Laden auf amerikanischem Boden hätte die USA vor immense Schwierigkeiten gestellt. Terrordrohungen, Erpressungen und Aufruhr in der islamischen Welt wären unvermeidliche Folgen gewesen. Mit dem tödlichen Treffer bleiben sie Obama und dessen Landsleuten erspart."
Der Kölner Stadt-Anzeiger gibt zu bedenken: "Dass amerikanische Navy Seals die territoriale Integrität Pakistans ignorierten, als sie den Terrorfürsten Bin Laden liquidierten, kippt Öl ins Feuer. Während es aus Sicht der US-Militärs nachvollziehbar erscheint, die pakistanischen Kollegen vorher nicht einzuweihen, könnte sich diese Entscheidung als schwerer politischer Fehler erweisen. Der jüngste Höhepunkt des fast zehn Jahre währenden Anti-Terror-Kampfs, dem auch Pakistan sich verschrieben hat, hätte auch ein Triumph der zivilen Führung sein können (...). Es wäre ein wichtiges Signal an die Zivilgesellschaft gewesen, dass die gewählte Regierung nicht gewillt ist, sich dem Druck der Dschihadisten und ihrer Sympathisanten in Uniform zu beugen."
"Die Kriege im Irak und in Afghanistan haben gelehrt, dass es mit Bomben und Raketen nichts zu gewinnen gibt. Am wenigsten in Pakistan", erinnert der Münchner Merkur. "Es bedarf tief gehender Strukturreformen und noch tiefer gehender Überzeugungsarbeit. Das wird schwierig in einem Land, in dem El-Kaida-Sympathisanten mit an der Macht sitzen und der Machtapparat im Gegenzug die Taliban unterstützt. Will man dem Terror an die Wurzeln gehen, so wird man sich dieser Herausforderung aber stellen müssen - mit zivilen Mitteln."
Auch die Badische Zeitung fragt sich, wie Bin Laden jahrelang unbehelligt in Pakistan wohnen habe können, ohne den dortigen Behörden aufgefallen zu sein. "Mit der Tötung von Osama bin Laden im Herzen des Landes steht Islamabad so blamiert da wie noch nie. Sollte es stimmen, dass die Nummer Eins von al-Qaida sich jahrelang unbemerkt im Schatten der wichtigsten Militärakademie verstecken konnte, bleibt den Generälen nur ein Rücktritt wegen Unfähigkeit. Sollten sie aber bin Laden gedeckt haben, hätten die Militärs der Atomstreitmacht die gesamte Welt über Jahre an der Nase herumgeführt – was noch schlimmer ist. Zudem hätten sich die Generäle dann auch am eigenen Volk und den Soldaten versündigt, die im Kampf gegen al-Qaida viele Opfer brachten."
Die Westdeutsche Zeitung bemerkt dagegen zur Tötung des Al-Kaida-Chefs: "Dass Osama bin Laden kein Grab bekommen hat, erklärt sich mit der Sorge, andernfalls eine Pilgerstätte zu schaffen. Bin Laden war ein Verbrecher, ein Krimineller, ein Mörder, der Tausende von Menschen auf dem Gewissen hatte. Er war und ist kein Märtyrer, keiner, der eine Gedenkstätte verdient hätte. Manch einer, auch in den USA, wird bedauern, dass der Terrorist sich nicht vor einem Gericht hat verantworten müssen und dass ihm Haft bis an sein Lebensende erspart blieb. Für die meisten ist der Tod Bin Ladens eine Genugtuung, Salbe auf die Wunde, welche die Anschläge vom 11. September in ihre Seelen geschlagen haben. Für Verschwörungs-Theorien ist da kein Platz."
Das Neue Deutschland kommentiert die Reaktion der Bundesregierung: "Zwar behaupten nun diverse Experten, man hätte den Al-Qaida-Chef gern auch verhaftet, aber der Kopfschuss spricht wohl eine andere Sprache. Dabei wäre ein Prozess gegen Bin Laden genau das gewesen, was die Stärke des Rechtsstaats, der Demokratie ausmachen sollte: sich nicht in die verheerende Logik von Gewalt und Gegengewalt ziehen zu lassen, sondern mit zivilisatorischen, politischen Mitteln vorzugehen. Wie ernst es etwa der Bundesregierung mit solchen Prinzipien ist, zeigt die erste Äußerung von Angela Merkel: Sie freue sich, 'dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten'. (...) Wer so redet, hat seinen Frieden damit gemacht, dass Krieg und Tod zum normalen politischen Geschäft gehören."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Peter Richter