Pressestimmen

Großbritannien und die EU "Für ein Nicht-Euro-Land beschämend"

Manche Zeitungen kritisieren, dass Cameron bei der Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise nur seinen eigenen Vorteil sucht. Andere gehen mit dem britischen Premier weniger hart ins Gericht. England hat schon immer eine komplizierte Außenseiterrolle in Europa inne, die jedoch ihre Bedeutung hat.

Volker Kauder fordert Einsatz für eine einheitliche Politik der EU.

Volker Kauder fordert Einsatz für eine einheitliche Politik der EU.

(Foto: REUTERS)

"Großbritannien hat Europa nicht viele seiner Errungenschaften zu verdanken", schreibt der Mannheimer Morgen. Der Staat habe sich für einen Bund mit Brüssel bereit erklärt, "um den Handel zu fördern, den Wirtschaftsraum barrierefrei zu machen". "Während Deutschland seine Kriegsruinen an der politischen Idee des harmonischen Europas aufrichtete, hatten die pragmatischen Briten einen anderen Beweggrund: Sie wollten gute Geschäfte machen." Darin sieht das Blatt den Grund, warum das britische Verhältnis zu Europa weitaus unemotionaler als das der Deutschen ist. "Das Projekt ist für sie: im Rückblick eine leidliche Fehlinvestition, aber nicht viel mehr. Der Teutone aber klagt gleich über eine europäische Existenzkrise."

Der Münchner Merkur bringt zwar "Verständnis für die bedeutende Rolle des Finanzsektors für England" auf, denn auch Großbritannien habe die "Kehrseite der entfesselten Finanzwelt spüren müssen". Aber "statt mitzuhelfen, diese Auswüchse zu stoppen, sucht Cameron (...) in der Krise nur den eigenen Vorteil", kritisiert das Blatt und wertet das "auch für ein Nicht-Euro-Land beschämend".

Weitaus positiver kommt Großbritannien im Handelsblatt weg. Deutschland habe sich, "mehr als die Franzosen, der komplizierten Außenseiterrolle der Briten und ihrer Bedeutung in der europäischen Geschichte erinnert". Das Blatt fragt in diesem Zusammenhang: "Wäre es klug, die Briten zu marginalisieren, auf ihr außenpolitisches Gewicht zu verzichten? Wie stünde es ohne sie um die europäische Wehrhaftigkeit? Gäbe es ohne sie heute einen Binnenmarkt? Und wie steht Deutschland da, wenn nur die Umarmung der Franzosen bleibt?" Auch wenn es Bauchschmerzen gebe, haben sich die Briten "immer wieder konstruktiv in Europa eingebracht". Daher hält die Wirtschaftszeitung von Kauders Gebärden nur wenig: "Ihnen gerade jetzt, im Stile von Kauder, mit dem alten 'Raus oder Rein' zu drohen, ist so weltfremd wie die Hoffnung, dass der gesamte Mittelmeerraum zum Clone der deutschen Wirtschaftstugend wird. Die Partner zu nehmen wie sie sind, gehört zur Diplomatie der Starken."

Die Aussagen Kauders nimmt die Frankfurter Rundschau genauer ins Visier. Das Blatt schätzt in gewisser Weise sein "selbstgerechtes und arrogantes Tuten", denn immerhin habe er damit "den Nebel diplomatischer Wohlfühlfloskeln durchdrungen". Denn, fragt das Blatt kritisch, "was hat es noch mit einem demokratischen, vielfältigen und gleichberechtigten Europa zu tun, wenn unter deutscher Führung die in Berlin ersonnene Sparpolitik den südlichen Ländern der Eurozone als alternativloser Sachzwang aufgedrängt und durch sogenannte Expertenregierungen exekutiert wird? Und wie ist der politische Druck aus Berlin auf die Europäische Zentralbank mit ihrer immer wieder proklamierten Unabhängigkeit zu vereinbaren?"

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger

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