Krise auf der Krim "Heraufziehende Kälte einer neuen Spaltung"
03.03.2014, 21:46 Uhr
Die Lage auf der Krim bleibt angespannt und unübersichtlich. Ukrainische Grenztruppen berichten von einem Aufmarsch gepanzerter Fahrzeuge der russischen Armee. Unbeirrt von den diplomatischen Bemühungen des Westens stärkt Putin seine Kontrolle über die autonome Republik am Schwarzen Meer. Die Kanäle der Diplomatie sollten dennoch offen bleiben, mahnen die deutschen Tageszeitungen.
"In den nächsten Tagen muss sich erweisen, was Europa, was das ganze Gerede von der westlichen Wertegemeinschaft in dieser brandgefährlichen Krise letztlich wirklich taugt", schreibt die Frankfurter Rundschau und fragt in dem Zusammenhang: "Widersteht man dem immensen öffentlichen Druck nach demonstrativen Strafaktionen und hält die Kanäle zu Russland offen? Oder kappt man aus hilfloser Symbolik alle Verbindungen nach Moskau?" Die Außenminister von Deutschland, Großbritannien und Frankreich täten gut daran, "auf direkte Gespräche zwischen dem russischen Präsidenten Putin und der neuen Führung in Kiew zu dringen und sich als Vermittler anzubieten, damit sich dieser Konflikt jetzt nicht noch weiter aufschaukelt". Ohne Zugeständnisse an Russlands Führung werde sich die Krise "in absehbarer Zeit nicht entschärfen lassen".
Auch das Delmenhorster Kreisblatt plädiert für eine Fortführung der Gespräche: "Die Drohung, den G8-Gipfel platzen zu lassen, bringt die Welt auch keinen Schritt voran. Ganz im Gegenteil. Anstatt zu mauern, müssten Europa und die USA sofort das direkte, persönliche Gespräch mit Russlands "Zar" Putin suchen - und sich nicht als Vermittler oder bessere Demokraten aufspielen."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeigt sich angesichts der sturen Haltung des russischen Präsidenten besorgt: "Es ist bedenklich, dass der russische Präsident die Mahnungen Obamas in den Wind glaubt schlagen zu können, so als sei es vollkommen unerheblich, was ihm der amerikanische Präsident zu sagen hat." So lasse er den Aufmarsch russischer Soldaten auf der Krim "unter fadenscheinigen Behauptungen munter fortsetzen". Die panikartigen Reaktionen an den Börsen seien ein Beleg dafür, wie gefährlich die Krise eingestuft werde, kommentiert das Blatt weiter und resümiert: "Als wären nicht bald 25 Jahre seit dem Epocheereignis vergangen, erleben wir die heraufziehende Kälte einer neuen Spaltung und einer direkten Konfrontation mit Russland."
"Nicht nur beim Thema Ukraine sind die Fronten inzwischen so verhärtet, dass es nicht gelingt, sich in die Gedankenwelt des Gegenübers zu versetzen und ein differenziertes Bild zu zeichnen", konstatiert die Stuttgarter Zeitung. Die Ängste Russlands, "beim Raketenschild oder der EU- oder Nato-Osterweiterung", hätten vom Westen nicht ausreichend Beachtung gefunden. Nun seien die Folgen fatal, meint das Blatt: "Da ist zum einen ein immer stärker zu beobachtendes Zusammenrücken zwischen Moskau und Peking, auch wenn die Beziehung eher aus der Not heraus denn aus echter Liebe wächst. Und da ist das russische Selbstverständnis, Hüter der wahren Werte in der christlichen Welt zu sein - was sich vor allem im menschenunwürdigen Umgang mit Homosexuellen zeigt."
Die Heilbronner Stimme kommentiert die jüngsten Ereignisse auf der Krim mit Blick auf die muslimische Minderheit in der Region: "Putin riskiert nicht nur eine neue Eiszeit mit dem Westen. Als selbsternannter Schutzherr der Russen auf der Krim scheint er das Misstrauen einer wichtigen Minderheit zu unterschätzen. Die Krimtataren, zwölf Prozent der Bevölkerung, leben dort seit 25 Jahren friedlich mit Russen und Ukrainern zusammen." Diese Volksgruppe bestehe zum größten Teil aus Muslimen, unter denen sich auch radikal-islamische Aktivisten befänden, stellt das Blatt fest und fragt: "Was geschieht, wenn auch sie die Türkei und andere muslimische Bruderländer um Schutz und Hilfe bitten?"
Der Tagesspiegel mutmaßt, Putins Vorgehen im Konflikt mit der Ukraine basiere auf einer Deeskalationsstrategie: "Womöglich betreibt Putin eine asymmetrische Machtpolitik, die zum Ziel hat, mit dem Ausreizen der militärischen Option die größtmögliche Eskalation zu verhindern. Um alle abzuschrecken, in einen Krieg hineinzugeraten, die Ukraine in ihren Wirren ebenso wie Abertausende Russen und Russophile auf der Krim. Ehe es zu Übergriffen kommt, die zum Äußersten führen." Russland habe schließlich Schiffe und viele Truppen auf der Krim stationiert, gibt das Blatt aus Berlin zu bedenken. Damit diese keinen Anlass zu unüberlegten Handlungen hätten, könne die Nachricht von Putins Handeln folgende sein: "Bleibt ruhig, wir sind doch längst da, notfalls hauen wir euch raus, kein Grund, verrückt zu spielen."
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.
Quelle: ntv.de