Reaktionen nach Coming-out Hitzlsperger ist "ein mutiger Mann"
08.01.2014, 20:13 Uhr
Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger bricht ein Tabu: Der 31-Jährige outet sich als Homosexueller. Er ist damit der erste prominente deutsche Fußballer, der diesen Schritt wagt. Sein Plan, die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranzubringen, scheint zunächst aufzugehen - die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen diskutieren jedenfalls kräftig. Allerdings, so Roland Peters von n-tv.de, hätte das Coming-out früher kommen müssen, als Hitzlsperger selbst noch Profi-Fußballer war.
Für die Zeit ist Thomas Hitzlsperger "ein mutiger Mann" - denn: "Der Erste zu sein, ist immer das Schwerste". Doch, so der Kommentar der in Hamburg herausgegebenen Zeitung: "Das eigentliche Problem liegt ja nicht bei ihm, es besteht vielmehr darin, dass es so lange Zeit und so viel Mut brauchte, um sich zu etwas zu bekennen, das so selbstverständlich und normal sein sollte wie der Einwurf oder der Pass in den freien Raum oder eben die Spielerfrau. Es gibt nun viel zu tun für den DFB und für den gewöhnlichen deutschen Fußballfan. Vom Jugendfußball bis zur Ersten Bundesliga muss eine Atmosphäre geschaffen werden, in der jeder sein kann, wie er will. Beim Thema Rassismus wurde hier schon einiges unternommen, zur Homophobie noch viel zu wenig".

Vor vier Monaten hat Hitzlsperger seine Karriere beendet. Nun bekennt sich der Ex-Nationalspieler öffentlich zu seiner Homosexualität.
(Foto: picture alliance / dpa)
"Ein aktiver Fußballprofi riskiert mit einem Coming-out seine Karriere. Dass das so ist, ist ein Skandal (…)", konstatiert die Eßlinger Zeitung. Für das Blatt ist es daher auch eher unwahrscheinlich, dass sich demnächst ein aktiver Fußballprofi zu einem Bekenntnis entschließen könnte. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt - und so schreibt der Kommentator aus Rheinland-Pfalz: "Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis das passiert. Aber es ist angesichts der Welle der Solidarität, die Hitzlsperger nun erfährt, zumindest wahrscheinlich, dass weitere Ex-Spieler seinem Beispiel folgen werden - und das wäre wenigstens ein kleiner Durchbruch".
Die Wetzlarer Neue Zeitung schreibt: "Wir prangern gerne andere Kulturen dafür an, dass sie Homosexualität verurteilen. Islamisch-fundamentalistische Staaten zum Beispiel oder Russland, wo die anstehenden Olympischen Winterspiele in Sotschi eine Nagelprobe für Politik und Gesellschaft sein werden hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Toleranz. Ob nun die deutsche Gesellschaft respektive ein Bundesliga-Stadion rücksichtsvoll und vor allem intelligent genug sind, einen Aktiven, der sich outet, nicht anzufeinden? Es ist gut, dass 'Hitz' viele Schulterklopfer aus der Riege der Funktionäre, der Politik und von einstigen Weggefährten wie Lukas Podolski oder Arne Friedrich bekommt". Doch, so das Blatt aus Mittelhessen: "Der Kampf gegen Homophobie im Fußball ist erst gewonnen, wenn sich der erste Aktive outet und sich kein Stadionbesucher zu einer tumben Bemerkung hinreißen lässt". Wie lang dieser Weg sein könne, zeige die Debatte um Rassismus im Fußball.
Auch die Süddeutsche Zeitung geht auf die Schwierigkeiten ein, die ein Outing im Profi-Fußball mit sich bringt: "Für einen Profi steht viel Geld auf dem Spiel: Sponsorenverträge wie auch Spielerverträge enthalten oft Klauseln, in denen Prämien und Gelder nur fällig werden, wenn der Profi spielt oder auftritt. Doch würde ein schwuler Fußballprofi in Deutschland noch spielen? Würden ihn die Fans unterstützen, dulden oder niedermachen?" Für das Münchner Blatt steht fest: "Das öffentliche Klima für schwule Fußballer wird sich nur ändern, wenn der Fußball selbst aufhört, Homosexualität weiter an den Rand zu drängen". Und genau deshalb sei der Tabubruch Hitzlspergers "ein bemerkenswerter Schritt, der in Zukunft nichts Besonderes mehr sein sollte".
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de