Pressestimmen

Die Rente mit 67 "Ignoranz der Wirklichkeit"

Viele Zeitungen geben die drohende Altersarmut zu bedenken.

Viele Zeitungen geben die drohende Altersarmut zu bedenken.

(Foto: AP)

Florian Pronolds Vorstoß gegen die Rente mit 67 wird scharf kritisiert, aber auch als richtiger Schritt gewertet: Die neuerliche Debatte um die geplante Anhebung des Rentenalters sorgt in der Presse für geteilte Meinungen.

Die Märkische Allgemeine macht Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis aus: "Angesichts der demographischen Entwicklung und steigender Lebenserwartung - was einen längeren Rentenbezug bedeutet - müssen die Beschäftigten auch länger arbeiten und können erst später in den Ruhestand gehen, wenn die Beiträge nicht ins Uferlose steigen sollen." Doch wenn diese Pläne auch einige "Finanzierungsprobleme der Rentenkasse" lösen werden, kommen doch neue Probleme hinzu: "In der Praxis wollen viele Unternehmer ältere Arbeitnehmer aber gar nicht beschäftigen. Häufig sind sie es auch, von denen man sich wegen höherer Kosten bei notwendigem Personalabbau trennt." In der Folge würden Betroffene weiter früher in Rente gehen, "aber deutlich weniger Geld als zuvor bekommen", zieht das Blatt aus Potsdam sein Fazit.

Die Hessische/Niedersächsische Allgemeine erinnert an den früheren Arbeitsminister Franz Müntefering, der "Mehr Ältere in Arbeit!" forderte. Doch von der Initiative 50plus sei nichts mehr zu hören, obwohl sie eine "unabdingbare Ergänzung der Rente mit 67" sei. "Keine Spur von neuen altersgerechten Arbeitsplätzen. Stattdessen nimmt die Zahl der älteren Arbeitslosen wegen der Krise seit Jahresbeginn wieder stark zu. Die Wahlkampf-Debatte darüber, die Rente mit 67 noch zu kippen, ist dennoch illusionär: Dafür gibt es nicht den Hauch einer Mehrheit."

Die Westdeutsche Zeitung verweist auf die Wohlstandsverhältnisse der deutschen Rentner: "Nur zwei Prozent der mehr als 20 Millionen Rentner sind derzeit auf Sozialhilfe angewiesen, weit weniger als in den meisten Nachbarländern. Der heutigen Rentnergeneration geht es so gut wie keiner vor ihr." Und auch keiner, die nach ihr komme, werde es so gut gehen. Betroffen von der Rente mit 67 seien all jene, die noch viele Arbeitsjahre vor sich haben, und da es "immer mehr Niedriglöhner und Teilzeitbeschäftigte gibt, droht erheblich häufiger als heute Altersarmut". Die Zeitung aus Düsseldorf fällt ihr Urteil: "Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist richtig, reicht aber nicht aus. Wir werden noch mehr Steuermittel als bislang in Rente und Grundsicherung stecken müssen. Schon heute sind das etwa 80 Milliarden Euro im Jahr."

"Die Rente mit 67 ist der Versuch, in einer Gesellschaft mit immer mehr Ruheständlern für Generationengerechtigkeit zu sorgen." Für die Lübecker Nachrichten ist der Ansatz einer Rente mit 67 richtig, auch wenn man "über manches Detail (…) bis zur schrittweisen Umsetzung ab 2012 vielleicht noch nachdenken" müsse. Das Blatt widmet sich den SPD-internen Zwistigkeiten: "Wer solche Mitstreiter in seinen Reihen hat, der darf sich über einen Schwund an Glaubwürdigkeit nicht wundern. Pronold beschädigt Parteichef Müntefering und stempelt die eigene Regierungspolitik als falsch ab. Schlimmer könnte auch die Konkurrenz der SPD nicht zusetzen."

Die Frankfurter Rundschau begrüßt hingegen den Vorstoß aus dem linken SPD-Flügel: "Florian Pronold, die Bayern-Hoffnung der SPD, hat ja recht. Nicht mit seiner Krisen-Verknüpfung, aber mit den profunden Zweifeln an der 67er Lösung. Altersarmut, wie wir sie in dieser Gesellschaft seit Jahrzehnten nicht mehr kennen, ist der Effekt dieser Reform, nicht die Absicht, so viel Zynismus sei der Regierung wirklich nicht unterstellt, nur eine gewisse Ignoranz der Wirklichkeit. Deshalb ist es richtig, die Rente mit 67 anzugreifen, sogar mit falschen Argumenten."

Zusammengestellt von Nadin Härtwig

Quelle: ntv.de

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