Assad wendet sich an sein Volk Inszenierung als "verhinderter Reformer"
10.01.2012, 20:29 UhrSieben Monate hat Syriens Präsident Baschar al-Assad geschwiegen. Jetzt wendet er sich wieder an seine Landsleute. Und seine vierte große Rede seit Ausbruch des "syrischen Frühlings" ist eine seiner verlogensten, findet die Presse.
"Da hat Machthaber Assad (…) eine der verlogensten Reden seiner Amtszeit gehalten", schreibt die Financial Times Deutschland. "Während Hunderttausende seiner Landsleute gegen seine Herrschaft rebellieren und jeden Tag Menschen im Widerstand gegen das Regime sterben, inszeniert sich der Diktator von Damaskus als verhinderten Reformer, der eine ausländische Verschwörung abwehren muss." Das überrascht die Zeitung wenig, gehört es doch "zur Grundausstattung von Diktatoren, selbst angesichts der offensichtlichen Rebellion der eigenen Bevölkerung erstens die Wirklichkeit auszublenden, zweitens dem Ausland die Schuld zu geben und sich drittens siegesgewiss zu zeigen." Das Blatt fühlt sich an andere arabische Diktatoren, "die im vergangenen Jahr ihre Abschiedsvorstellungen gegeben haben."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung findet es nicht verwunderlich, dass Assad die Macht nicht abgeben will, denn "der jemenitische Staatschef Ali Abdullah Saleh hat ihm seit dem Sommer vorgemacht, wie man durch geschicktes Taktieren scheinbar nachgibt, aber dennoch alles beim Alten belässt." In seiner Rede verspricht Assad ein Referendum über eine neue Verfassung im März und Wahlen. "Ansonsten nannte er Opposition und Aufständische wieder 'Terroristen' - eine 'auswärtige Verschwörung' sieht er am Werk. Diese Wortwahl steht im Nahen Osten für die Welt von gestern. Die 'Pattsituation', von der viele in Syrien sprechen, hat hier und da den Gedanken aufkommen lassen, man könne eine Neuordnung mit Assad, doch 'ohne die anderen' in Angriff nehmen."
Die Märkische Allgemeine erinnert sich an die Anfangsjahre des Machthabers: "Jung, dynamisch, voller Elan und Ideen stand Assad nach dem Tod seines Vaters im Jahre 2000 vor seinen Landsleuten und erklärte, wie er sich die Zukunft Syriens vorstellte. Er wolle das Land modernisieren, es fit machen für den internationalen Wettbewerb, es öffnen und die Wirtschaft reformieren. Der studierte Optiker war da gerade aus Großbritannien zurückgekommen und begeisterte viele, vor allem junge Leute. Heute wirkt er mit gerade mal 46 Jahren so verstaubt wie die Alt-Kader um ihn herum. Es ist gefährlich, wenn sich Politiker vom Volk abwenden. Assad hat mit seiner Politik der harten Hand gezeigt, dass er nicht besser ist als die anderen Potentaten."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki