Gaza-Offensive immer wahrscheinlicher "Israel braucht Zuspruch"
16.11.2012, 21:40 Uhr
Israelische Soldaten bereiten sich an der Grenze zum Gazastreifen auf eine mögliche Offensive vor.
(Foto: AP)
Die Situation im Nahen Osten spitzt sich weiterhin zu. Der Dauerbeschuss israelischen Staatsgebietes mit Flugkörpern aus dem Gazastreifen, die Verlegung israelischer Truppen an die Grenze sowie Verlautbarungen aus israelischen Regierungskreisen lassen eine Bodenoffensive Israels, in die von der radikal-islamischen Hamas regierten Palästinensergebiete, immer wahrscheinlicher werden. Ägypten soll nun, so der Wunsch des Westens, seinen Einfluss in der Region zur Befriedung des Konfliktes nutzen. Über die Erfolgschancen einer diplomatischen Lösung im Nahostkonflikt sind die Tageszeitungen gespaltener Meinung.
Das Straubinger Tagblatt glaubt nicht an eine friedliche Lösung: "Und so wird es denn wohl eine vergebliche Hoffnung bleiben, dass Israels Regierung im eigenen Interesse wenigstens diesmal positiv auf Warnungen vor einer überzogenen Militäraktion reagiert und die Absperrung des Gazastreifens lockert und schließlich ganz aufhebt, um so das Elend der dort eingesperrten und unter der islamistischen Fuchtel der Hamas lebenden Menschen zu beenden." Es sei, so die Zeitung weiter, zu befürchten, dass das Gegenteil eintrete: "Die Mechanismen von Gewalt und Gegengewalt, von Unterdrückung und Terrorismus, der mörderische Kreislauf von Hass und Rache wird nach einer blutigen Militäraktion in eine neue Runde von unabsehbarem Ausmaß eintreten."
Die Augsburger Allgemeine zieht Parallelen zur israelischen Militäroffensive im Dezember 2008 und kommentiert: "Die Aussichten sind heute nicht besser als 2008/2009. Der Konflikt ist nur zu lösen, wenn endlich der Druck aus dem Kessel Gaza entweichen kann. Die Grenzen zu Ägypten - und zu Israel - müssen durchlässiger werden. Nur dann besteht die Chance auf wirtschaftlichen Fortschritt und damit auch auf ein Ende der Gewalt."
"Konflikt in der Endlosschleife", nennt die Neue Presse aus Hannover die Auseinandersetzungen in Nahost und führt an: "Nun rächt sich, dass die USA unter Bush - aber auch unter Obama - keine überzeugenden Anstrengungen unternommen haben, im Nahen Osten für Fortschritte und Entspannung zu sorgen. Seit Clinton hat es keine ernsthaften Versuche mehr gegeben, die Probleme zu entschärfen. Mit tödlichen Folgen."
Auch die Neue Osnabrücker Zeitung wirft dem Westen vor, in der Nahostfrage zu wenig geleistet zu haben: "Jeder Glaube im Westen, dies durch eine nächste Konferenz, durch eine weitere Resolution oder was auch immer ändern zu können, ist pure Selbstüberschätzung." Hoffnungsschimmer könne ein neu erstarktes Ägypten sein: "Der Machtwechsel in Ägypten ist Chance, nicht Risiko. Mit seinem neuen Selbstbewusstsein und der größeren Nähe zu Gaza und Hamas präsentiert sich Kairo im Einklang mit finanzstarken Golfstaaten plötzlich auf Augenhöhe. Was zunächst konfrontativ und bedrohlich wirkt, kann zu einem Frieden führen. Ägyptens Präsident Mohammed Mursi zwingt Israel nicht nur, ihn ernst zu nehmen. Mit ihm gibt es auch einen Ansprechpartner, der den Iran de facto ausbootet und die Hamas disziplinieren kann."
Das Delmenhorster Kreisblatt fragt sich, "ob Israel auch klug handelt" und gibt zu bedenken: "Denn zu ungleich ist die Wirkung der jeweiligen militärischen Mittel: Die Raketen der Hamas verletzen in erster Linie die Psyche eines durch die Erinnerung an den Holocaust geprägten Landes. Die Gegenschläge des israelischen Militärs sind zwar vergleichsweise präzise, richten aber in einer sehr dicht besiedelten Stadt, in der sich die Hamas-Kämpfer verschanzen, verheerende Schäden an. So wird der Teufelskreis der Gewalt immer weiter angeheizt. Und der strategisch so wichtige Frieden mit dem islamistisch regierten Nachbarn Ägypten steht auf wackligen Füßen."
Die Welt kommentiert abschließend: "Der jüdische Staat scheint durch die Distanz Amerikas in der Iran-Frage isolierter denn je. Da mutet es fast schon wie ein Wunder an, dass zwei Repräsentantinnen Europas, Kanzlerin Merkel und EU-Kommissarin Ashton, eindeutig die Hamas für den Terror der letzten Tage verantwortlich machen und dem Selbstverteidigungsrecht Israels volle Legitimität zusprechen. Das Land habe das Recht und die Pflicht, seine Bevölkerung zu schützen. Diesen Ton hat man lange nicht mehr gehört, und er hält hoffentlich lange an. Israel braucht diesen Zuspruch. Wie weiter, wo Vernunft ein leichtes Wort samtpfötiger Diplomatie ist und militärische Abschreckung einziges Mittel der Einhegung terroristischer Gewalt? Wer diese Spirale durchbrechen kann, der hat allen Ruhm und alle Ehre der Nachwelt verdient."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Aljoscha Ilg