Giftgas-Anschlag in Syrien "Ist er so dumm, dreist und skrupellos?"
21.08.2013, 20:20 Uhr
Die Bilder aus der Nähe von Damaskus sind furchtbar.
(Foto: AP)
Das Giftgas-Massaker an hunderten Syrern löst Erschütterung aus. Doch wer ist verantwortlich für das Grauen? Die deutschen Tageszeitungen warnen davor, das Naheliegendste zur Wahrheit zu machen.
Die Lübecker Nachrichten schreiben: "Stimmt der Vorwurf der syrische Opposition, dass Assad durch Giftgas-Einsatz ein Massaker mit über 1000 Toten angerichtet hat, wäre das ein so schweres Kriegsverbrechen, dass die Vereinten Nationen eingreifen und den syrischen Machthaber notfalls mit Waffengewalt stoppen müssten. Dazu aber müssten eindeutige Beweise vorliegen, aber wer sollte die liefern? Wäre der Nachweis möglich, wird Assad den Chemiewaffen-Experten der UN die Erlaubnis verweigern, den Schauplatz des Massakers zu inspizieren. Erhalten sie die Genehmigung, werden sie die Beweise gegen die Regierungstruppen nicht finden. Es ist eine wahrhaft teuflische Taktik, die der Schlächter in Damaskus da ersonnen hat. Und es ist zu befürchten, dass sie aufgeht."
Die Nürnberger Zeitung meint: "Wer die Bilder von scheinbar schlafenden und unversehrten Toten sieht, zweifelt kaum mehr an einem Einsatz von Chemiewaffen. Nur: Wer hat sie eingesetzt? Syriens Machthaber Baschar el-Assad mag verschlagen, brutal und fremdgesteuert sein. Doch ist er so dumm, dreist und skrupellos, Giftgaseinsätze zum jetzigen Zeitpunkt (da auch noch UN-Beobachter im Land sind) zu befehlen?"
Auch der für seine Region wichtige Reutlinger General-Anzeiger ist unsicher: "Das syrische Regime bestreitet den Einsatz von Giftgas und beschuldigt andererseits die Rebellen. Lüge und Wahrheit liegen nirgends so dicht beieinander wie im Krieg. Kann das syrische Regime so dumm sein, zuerst UN-Experten ins Land zu lassen und dann Giftgas einzusetzen? So sicher kann sich Assad nicht fühlen, auch wenn es derzeit ganz danach aussieht, als gewänne er langsam wieder Oberhand über die Rebellen. Andererseits haben UN-Ermittler noch vor der Abreise der Inspektoren erklärt, die Wahrscheinlichkeit des Nervengas-Einsatzes durch Regierungstruppen in mindestens vier Fällen sei hoch."
Die Landeszeitung rät: "Die bedrückenden Bilder aus Syrien scheinen zu belegen, dass im Bürgerkrieg erneut Giftgas gegen Zivilisten eingesetzt wurde. Obwohl es unerträglich scheint, angesichts des Leids der Menschen stillzuhalten, ist dem Westen genau dies zu raten. Zu groß ist die Gefahr, dass der Westen instrumentalisiert werden soll. Denn die klassische Historiker-Frage: 'Wem nützt es?' führt weg von Assad. Derzeit ist das Regime auf dem Vormarsch. Zudem schien Assad bisher ein zu gewiefter Taktiker zu sein, um ohne Not über die 'rote Linie' zu gehen, die US-Präsident Obama gezogen hat. Vielleicht haben die in die Defensive geratenen Rebellen Zivilisten mit Giftgas beschossen, um - wie einst die libyschen Rebellen - die NATO zu ihrer Luftwaffe zu machen."
Und abschließend schreibt die Badische Zeitung: "Zuletzt hat Assad scheinbar gnädig sogar ein paar UN-Inspektoren ins Land gelassen. Sie sollen Vorwürfen nachgehen, sowohl das Regime als auch die Opposition hätten mit Chemiewaffen gekämpft. Dass Assad ausgerechnet in dieser Situation Giftgas eingesetzt haben soll, erscheint unlogisch. Aber was ist schon logisch im Krieg? Am sinnvollsten wäre es, wenn die UN-Fachleute prompt und ohne Auflagen die Dörfer bei Damaskus aufsuchen könnten, in dem das Massaker verübt worden sein soll. Doch so weit reicht des Diktators Großmut wohl nicht. Überraschend ist anders."
Quelle: ntv.de