Pressestimmen

Annäherung in der Ukraine "Janukowitsch herrscht nicht als Diktator"

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Im festgefahrenen Konflikt zwischen Regierung und Opposition in der Ukraine scheint sich etwas zu bewegen. Erst bietet Präsident Janukowitsch Straffreiheit für festgenommene Demonstranten an, dann kündigt er an, die Gesetze zur Einschränkung von Versammlungs- und Meinungsfreiheit zurückzunehmen. Schließlich tritt die gesamte ukrainische Regierung zurück. Die Opposition rund um Ex-Boxer Vitali Klitschko wartet ab und lässt sich nicht mit vermeintlichen Friedensangeboten abspeisen. Zu Recht, findet n-tv.de Kommentator Christian Rothenberg: "Janukowitsch reicht ihm den kleinen Finger, aber Klitschko ist das zu wenig. Er will die ganze Hand - und das aus gutem Grund."

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch.

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch.

(Foto: imago stock&people)

Die Stuttgarter Zeitung meint: "Die Ukrainer müssen selbst darüber abstimmen, wo sie ihre Zukunft sehen - in West, Ost oder am besten in gutnachbarschaftlichen Beziehungen zu beiden Seiten. Dazu allerdings braucht es - ob die EU das nun gutheißt oder nicht - Wladimir Putin. Es war der Kremlherrscher, der mit seiner wirtschaftspolitischen Erpressungsstrategie den Rückzieher der Ukraine hinsichtlich des Assoziierungsabkommens mit der EU erzwang und damit die proeuropäische Protestwelle auslöste. Es ist verständlich, aber nicht genug, wenn sich die Europäer vom starken Mann in Moskau jedwede Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine verbitten. Es ist eben keine rein bilaterale Angelegenheit, da die EU das Land ja selbst strategisch an sich binden und damit aus dem russischen Dunstkreis herauslösen will."

"Vitali Klitschko hat als einer der Oppositionsführer klargemacht, dass die Proteste weitergehen sollen. Das ist die richtige Strategie.", findet die Frankfurter Neue Presse. Gleichzeitig fragt sie sich: "Was soll man schon von einem Präsidenten halten, der die Mehrheit des Parlaments wie Puppen tanzen lässt? Gestern lässt er durch seine Abgeordnete das schärfere Versammlungsrecht beschließen und heute wieder abschaffen. Janukowitsch ist nicht zu trauen. Und er hat als Präsident wichtige Positionen im Staat mit seinen Gefolgsleuten besetzt. Vielleicht zieht Janukowitsch die Zügel bereits morgen wieder an."

Auch das Straubinger Tagblatt äußert sich kritisch zur Rolle des Präsidenten: "Viele wenden ein, Janukowitsch sei demokratisch gewählt worden und könne nicht einfach aus dem Amt gejagt werden. Doch der korrupte Präsident hat seine Macht missbraucht und gegen das Volk gerichtet. Auch Russland und die EU, die ihre Rivalität auf dem Rücken der Ukrainer ausgetragen haben, sind nicht unschuldig. Darum sollten Kiew, Brüssel und Moskau, das kurz vor Olympia auch an einer Beilegung der Krise interessiert sein muss, gemeinsam intensiv nach einer Lösung suchen."

Bei der Thüringer Landeszeitung wird thematisiert, dass Janukowitsch durchaus profitieren könnte, sollte etwa Vitali Klitschko Verantwortung bekommen: "Denn der Ex-Boxer und viele der Führungsfiguren der Opposition im Land haben keinerlei politische Erfahrung vorzuweisen und könnten sich von den Alten Hasen unter Umständen vorführen lassen. Hinzu kommt, dass die Kassen des Landes ohnehin leer sind. Das hält die Gestaltungsmöglichkeiten übersichtlich und könnte die Unzufriedenheit im Land auch auf einen neuen Regierungschef ausstrahlen lassen."

Die Kommentatoren der Osnabrücker Zeitung analysieren die Lage so: "Die Situation in der Ukraine ist gleich mehrfach verfahren. Erstens: Viktor Janukowitsch kann anbieten, was er will. Die Demonstranten wollen den Kopf des Staatschefs. Zweitens: Bei Lichte betrachtet, ist die EU nicht minder parteiisch als Russlands Präsident Wladimir Putin. Drittens: Vitali Klitschko prägt das Bild der Opposition im Westen. Allein, in den Reihen der Regierungsgegner ist er bestenfalls die Nummer zwei, eher drei. Viertens: Janukowitsch herrscht nicht als Diktator. Landeskenner sagen, dass er die Wahlen noch heute erneut gewinnen würde. Vielleicht wäre es daher eine Erwägung wert, den internationalen Druck zu senken, statt ihn, wie vielfach gefordert, zu erhöhen. Oder in Richtung moderater Opposition zu richten, damit sich diese mit dem begnügt, was sie erreicht hat."

Zusammengestellt von Louisa Uzuner

Quelle: ntv.de

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