Pressestimmen

Krieg in Libyen "Jetzt rächt sich die Halbherzigkeit"

Die libyschen Rebellen in der blutig umkämpften Stadt Misrata sind verzweifelt. Sie bitten die Alliierten um Bodentruppen – die der Westen aber nicht schickt. Libyen droht ein düsteres Schicksal. Und die Vereinten Nationen senden ein dramatisches Signal an die Diktatoren dieser Welt.

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(Foto: REUTERS)

Der Münchner Merkur malt ein düsteres Bild von der Zukunft des nordafrikanischen Staates: "Die Welt wird sich (…) auf neue Gräuelbilder aus Libyen einstellen müssen, ohne viel daran ändern zu können. Der Allianz, die großspurig die Vertreibung Gaddafis angekündigt hat, droht ein empfindlicher Gesichtsverlust, den Libyern ein übles Schicksal: Sollte der Diktator  alle goldenen Brücken ins Exil ignorieren, könnte das Ölland in einzelne Machtzentren und viele gesetzlose Regionen zerfallen, die Extremisten anziehen würden. Im arabischen Raum entstünde ein neuer Dauer-Brandherd."

"Der Mut und der Blutzoll der Aufständischen könnten vergeblich gewesen sein", kommentiert auch die Landeszeitung aus Lüneburg. "Jetzt rächt sich die Halbherzigkeit des Westens. Die USA setzten ihren besten Kampfjet, die F-22, nicht ein. Obwohl oder weil ihr Einsatz das Schmieden einer Koalition der Willigen überflüssig gemacht hätte. Paris und London wollen Zivilisten ausschließlich mit Bombardements schützen. Obwohl ein gezielter Schlag gegen Gaddafi diesem Ziel wahrscheinlich besser dienen würde. Ist doch Libyen stärker auf Gaddafi zugeschnitten als einst der Irak auf Saddam Hussein. Deutschland hat für die kämpfenden und sterbenden Rebellen nur leere Worte. Es vergisst, dass man seine Hände nicht in Unschuld waschen kann, indem man bei Massakern einfach wegschaut."

In Libyen herrsche längst ein Guerilla-Krieg, stellt die Neue Westfälische aus Bielefeld fest. Für die alliierten Luftstreitkräfte bedeute dass den GAU, denn "Freund und Feind sind nicht mehr unterscheidbar, die Zivilbevölkerung wird zur Geisel." Daher sei es nicht verwunderlich, dass die Rebellen verzweifelt um Bodentruppen bitten. "Doch dafür fehlt jegliche völkerrechtliche Grundlage. Es wird kein weiteres Mandat der Vereinten Nationen geben, das eine derartige Ausweitung des Einsatzes billigt. So droht den Alliierten ein politisches und militärisches Fiasko, sollte Gaddafi am Ende doch triumphieren. Und die weiteren Diktatoren dieser Welt können sich ob ihrer Zukunft genüsslich die Hände reiben."

Die Leipziger Volkzeitung vergleicht den Militäreinsatz in Libyen mit einem Glücksspiel: "Nur mit einem Sechser im Militär-Lotto hätte die Nato in Libyen zügig ihr Ziel erreichen können. Per Zufallstreffer hätte man dem Leben Gaddafis ein Ende bereiten können - und die Dinge könnten sich neu ordnen. Doch da der strategische Lotterie-Gewinn ausgeblieben ist, versinkt die Nato immer tiefer im libyschen Treibsand. Angela Merkel und Guido Westerwelle hatten Recht mit ihren Bedenken gegen Sarkozys Express-Bombardements.  Dabei hätte sich jeder nicht Lotto spielende Hinterhof-Stratege ausmalen können, dass sich Gaddafi nicht von unorganisierten Amateur- und Freizeitkriegern in die Flucht schlagen lässt."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki

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