Pressestimmen

Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen "Kanzleramt ist nicht sturmreif"

Die Niederlage im Rücken: Schadet der Patzer von CDU-Kandidat Röttgen in Nordrhein-Westfalen auch Kanzlerin Merkel?

Die Niederlage im Rücken: Schadet der Patzer von CDU-Kandidat Röttgen in Nordrhein-Westfalen auch Kanzlerin Merkel?

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Duell ist entschieden: Norbert Röttgen tritt als CDU-Landschef zurück und Hannelore Kraft bleibt Ministerpräsidentin in NRW.

Das Duell ist entschieden: Norbert Röttgen tritt als CDU-Landschef zurück und Hannelore Kraft bleibt Ministerpräsidentin in NRW.

(Foto: REUTERS)

Die bittere Niederlage der CDU in Nordrhein-Westfalen bestimmt auch am Tag nach den Landtagswahlen die Kommentarspalten der Presse. Bricht die schwarz-gelbe Koalition im Bund nun auseinander? Stolpert Merkel über den Patzer im bevölkerungsreichsten Bundesland? Oder ist die Kanzlerin immun gegen die Wechselstimmung im Westen der Republik.

Die Stuttgarter Zeitung glaubt, dass in Nordrhein-Westfalen auch über Kanzlerin Angela Merkels Kurs abgestimmt wurde. Die NRW-Schlappe der CDU werfe unangenehme Fragen auf, die nicht allesamt mit dem Namen des gescheiterten Spitzenkandidaten Norbert Röttgen zu beantworten seien, schreibt das Blatt. "Wurde dort nicht doch auch über Merkels Kurs abgestimmt? Sind die Bürger die ewigen Bußpredigten zu Sparsamkeit, Haushaltsdisziplin und Rotstiftpolitik leid? Helfen Schuldenbremsen allein, die europaweite Finanzkrise zu überwinden?" Angesichts dieser Fragen kommt das Blatt zu dem Schluss: "Von der Kanzlerin werden neue Antworten erwartet - ohne dass sie ihren Kurs und damit ihre Glaubwürdigkeit infrage stellen darf."

Auch der Kölner Stadtanzeiger erkennt in der Niederlage Röttgens eine Niederlage Merkels. Das Blatt räumt ein: "Merkel hat der CDU in den zwölf Jahren ihres Vorsitzes mehr Veränderungen zugemutet als Helmut Kohl in einem Vierteljahrhundert. Sie stemmt sich gegen ein Abdriften des Konservativen ins Ghettohaft-Skurrile." Doch der Stadtanzeiger beschreibt auch, was diesen Kurs ausbremsen könnte: "Ihr kommen die Leute abhanden, die in der CDU - wie beim Kräfteparallelogramm - zwar in verschiedene Richtungen ziehen, die Partei damit aber fortbewegen können, ohne dass es sie zerreißt." Röttgen hält die Zeitung für einer von diesen Leuten.

Einen unmittelbaren Machtverlust muss Angela Merkel  trotzdem nicht befürchten. Davon ist zumindest das Mindener Tageblatt überzeugt. Laut dem Blatt muss es der Kanzlerin aber gelingen, ihre Koalition zusammenzuhalten. "Dass die aus drei Parteien besteht, wird ihr anhand des Konfliktes mit der CSU um das Betreuungsgeld gerade erst wieder schmerzhaft vor Augen geführt. Und damit, wie lässig Horst Seehofer dem gerade abgewatschten Röttgen noch einen linken Haken hinterherschickt." Die Stabilität der Koalition gefährden in den Augen der Zeitung auch die Liberalen. "Die FDP wird sich gut überlegen, ob die Themen Betreuungsgeld oder Vorratsdatenspeicherung nicht genau die Sorte Profilschärfung versprechen, die Erfolgsgarant Lindner so erfolgreich im bürgerlichen Lager kannibalisieren ließ."

Die Süddeutsche Zeitung zeichnet die Lage Merkels und der Union in etwas weniger dramatischen Bildern: "Das Kanzleramt wurde an diesem Sonntag erschüttert, aber es ist noch nicht sturmreif." Ein Regierungswechsel ist laut dem Blatt noch in weiter Ferne. "Die SPD muss erst mal Ordnung in den eigenen Reihen schaffen. Bisher wabern da zu viele Widersprüche: Man hält der Regierung vor, von den Erfolgen ihrer Vorgänger zu leben - bekennt sich aber selbst nicht zur eigenen Reform-Vergangenheit. Man kritisiert den Kurs der Kanzlerin in der Euro-Krise - hebt aber jedes Mal die Hand dafür. Und Angela Merkel wird nun interessiert verfolgen, wie sich drei sozialdemokratische Männer argumentativ verrenken, um zu erklären, warum die natürliche Gegenkandidatin der Kanzlerin nicht ihre Gegenkandidatin wird."

Gänzlich gelassen reagiert der Berliner Tagesspiegel auf das Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen. "Bis zur Bundestagswahl sind noch 16 Monate Zeit. Da verändert der Himmel bekanntlich noch oft sein Antlitz", schreibt die Zeitung und liefert Belege: "Vor ein paar Monaten schienen die Grünen noch zur dritten Volkspartei heranzureifen, wovon am Sonntag wenig zu spüren war. Ähnlich die FDP: Wer hätte vor acht Wochen mit strahlenden Mienen bei den Liberalen gerechnet?"

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmidt

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