Pressestimmen

Frage der Legitimation Karlsruhe erlaubt Rettungsschirm

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(Foto: dapd)

"Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen abgelehnt, der Europäische Stabilitätsmechanismus ist zulässig." Als Parlamentspräsident Martin Schulz diese Worte aussprach, verfielen Europas Politiker für 20 Sekunden in spontanen Beifall. Die Entscheidung war von großer Tragweite, die Erleichterung entsprechend groß. Die Verfassungshüter geben dem Rettungsschirm grünes Licht. Allerdings nicht ohne Auflagen. Unter anderem solle laut dem von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle vorgetragenen Richterentscheid sichergestellt werden, dass die Haftung Deutschlands auf die vereinbarten 190 Milliarden Euro beschränkt bleibe und darüber hinausgehende Ausgaben nur mit Zustimmung des Bundestags möglich seien, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in Karlsruhe. Überdies müsse trotz Schweigepflicht für ESM-Mitarbeiter, Bundestag und Bundesrat ausreichend unterrichtet werden. Was bedeutet das Urteil für die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union? Deutschlands Presse diskutiert über einen folgenreichen Richterspruch.

Als wenig überraschend bezeichnet die Frankfurter Allgemeine Zeitung das Urteil, unterstreicht jedoch auch das Spannungsfeld zwischen der neu formulierten Zustimmungspflicht des Bundestages "auch für finanzwirksame Entscheidungen, die in den Gremien der Eurozone getroffen werden" und der bereits fortgeschrittenen Integration Europas: "Entscheidungen in den Gremien des ESM stehen unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestags. Das muss sich in den Staaten der Eurozone, die den Vertrag bereits ohne Vorbehalte ratifiziert haben, noch herumsprechen."

Gerichtspräsident Voßkuhle mahnte im Rahmen der Urteilsverkündung die Bundesregierung: "Nur als demokratisch legitimierte Rechtsgemeinschaft hat Europa eine Zukunft." Der Tagesspiegel kommentiert: "Solche Reflexion wohlfeil nennen, hieße, ihre Berechtigung gering zu schätzen. Den Nationalstaat aufgeben wollen weder Franzosen noch Italiener, Spanier oder Deutsche. Europa als Staatenbund mit mehr Kompetenzen in Brüssel, wie es EU-Kommissionspräsident Barroso ausgerechnet am Tag des Karlsruher Urteils ausmalte, ist jedenfalls nur dann eine Option, wenn die EU endlich beginnt, ihre Demokratiefähigkeit zu belegen."

Für die Stuttgarter Zeitung steht ebenfalls die Demokratiefrage im Mittelpunkt. Sie kritisiert das Urteil hinsichtlich der von Voßkuhle problematisierten Legitimität europäischer Entscheidungen: "Die Antwort auf dieses Legitimationsproblem kann auf Dauer nicht in einer immer kleinteiligeren Rückkoppelung Brüsseler Entscheidungen mit dem Bundestag bestehen. Die Antworten sollten ein starkes Europäisches Parlament und eine ebenso starke richterliche Kontrolle auf der europäischen Ebene selbst sein."

Auch die Frankfurter Rundschau führt die Notwendigkeit eines Ausbaus der Europäischen Institutionen an und zieht dabei Parallelen zur Sanierung eines baufällig gewordenen Hauses: " Seit Jahrzehnten wird am "gemeinsamen Haus Europa" gebaut, gewerkelt, gemauert, gebohrt und gemeißelt, ohne dass ein Bauplan jemals bekannt geworden und mit den künftigen Bewohnern über deren Wünsche gesprochen worden wäre. Jetzt stocken seit Monaten die Arbeiten, auch einige tiefe Risse in den Wänden sind nicht zu übersehen. Das wäre eine gute Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen und den Bauplan für ein künftiges Europa den Bürgern vorzulegen. Zu reden wäre nicht nur über die Raumaufteilung und die Kosten, sondern auch über die Rechte und die Pflichten der Hausbewohner. Am Ende müssten die Bürger selbstverständlich darüber entscheiden, ob sie in dem Haus auch wohnen wollen. Eine kleine Änderung des Grundgesetzes würde genügen, um ein Plebiszit zu ermöglichen."

Die Leipziger Volkszeitung bemerkt ebenso, dass im Zuge des ESM-Urteils noch viele Hausaufgaben zu erledigen seien und fügt hinzu: "Regierung und Bundestag bleiben auf europäischer Ebene handlungsfähig, und sie müssen handeln. Das hat ihnen Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle deutlich ins Stammbuch geschrieben. Insofern ist es ein sehr diplomatisches Urteil. Grünes Licht für ESM-Vertrag und Fiskalpakt gibt es nur mit Auflagen, die jeder Bürger nur begrüßen kann und auf die die Politik auch selbst hätte kommen können."

Als wenig überraschend bezeichnet die Frankfurter Allgemeine Zeitung das Urteil, unterstreicht jedoch ebenfalls das Spannungsfeld zwischen der neu formulierten Zustimmungspflicht des Bundestages "auch für finanzwirksame Entscheidungen, die in den Gremien der Eurozone getroffen werden" und der bereits fortgeschrittenen Integration Europas: "Entscheidungen in den Gremien des ESM stehen unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestags. Das muss sich in den Staaten der Eurozone, die den Vertrag bereits ohne Vorbehalte ratifiziert haben, noch herumsprechen."

 

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Aljoscha Ilg

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