Pressestimmen

Euro-Rettungsschirm "Königsrecht ist in Gefahr"

Die Bundesregierung hat die Stärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF auf den Weg gebracht. Jetzt muss der Bundestag zustimmen. Der aber verlangt ein stärkeres Mitspracherecht. Eine längst überfällige Forderung, wenn die Bürger das Vertrauen in die Politiker nicht endgültig verlieren sollen, findet die Presse.

25738980.jpg

(Foto: picture alliance / dpa)

"Die Bundestagsabgeordneten sind wirklich nicht zu beneiden", findet die Märkische Allgemeine, denn "sie sollen dem Euro-Rettungsschirm ihren Segen geben, einem milliardenschweren Paket von Bürgschaften und Nothilfen, und dann sollen sie auch noch ihrer (teilweisen) Entmachtung zustimmen. Zwar soll der Bundestag möglichst stärker einbezogen werden, um das Haushaltsrecht des Parlaments zumindest auf dem Papier zu wahren, aber wie das funktionieren soll, wenn die Märkte mal wieder verrückt spielen und ganz schnell Hilfe gebraucht wird, weiß keiner. Ein Rettungsschirm unter Vorbehalt ist kein Rettungsschirm." Für die Zeitung aus Potsdam zeigt sich genau an diesem Punkt das Dilemma Europas: "Dem Einigungsprozess, der mit der Währungsunion einen großen Schritt vorangekommen ist, steht ein Defizit an demokratischer Kontrolle gegenüber."

Dem kann die Frankfurter Allgemeine Zeitung nur zustimmen. In letzter Zeit konnte man den Eindruck gewinnen, dass das "'Königsrecht' des Parlaments in Deutschland … in Gefahr sein könnte." Bereits mehrfach habe Bundestagspräsident Norbert Lammert darauf verwiesen, "dass Gesetze nicht einfach von der Regierung per Moratorium suspendiert werden können (so geschehen bei der sogenannten Energiewende) und dass es nicht angehe, dass die Exekutive den Bundestag unter unziemlichen Druck setzt, entweder aus Dringlichkeitsgründen oder wegen vermeintlicher Sachzwänge. Das Beispiel ist hier die Bewältigung der Euro-Krise, unter anderem durch das Aufspannen immer neuer 'Rettungsschirme', mit denen die Regierungen der Eurozone die Märkte zu beruhigen versuchen. Lammert hat recht, nicht nur weil es dabei um Summen geht, die mit den größten Posten im Haushalt des Bundes konkurrieren können."

"Der Stufenplan, den jetzt einige Koalitionäre aus der zweiten Reihe ausgearbeitet haben, ist das Mindeste, was der Bundestag für sich aus den Verhandlungen herausholen muss", findet darum auch die Nürnberger Nachrichten. "Jeder Abgeordnete hat es schließlich bei sich zu Hause im Wahlkreis mit Bürgern zu tun, gegenüber denen Rechenschaft abzulegen ist. Da reicht es nicht zu sagen: 'Die Kanzlerin wird's schon richtig machen'. Das Parlament hat in den vergangenen 20 Jahren, gleich unter welchen Regierungen, sehr viel an Einfluss verloren. Es ist höchste Zeit, ein Mindestmaß an politischer Gestaltungsmöglichkeit einzufordern. Auch Krisenzeiten rechtfertigen nicht jede Maßnahme zugunsten der Exekutive. Da sollten gerade wir Deutschen sehr sensibel sein."

Die Leipziger Volkszeitung lenkt den Blick auf die anstehenden Entscheidungen: "Die Stunde der Wahrheit rückt für Angela Merkel näher. Der Kabinettsbeschluss zur Stärkung des Euro-Rettungsfonds ist die Pflicht gewesen. Die Kür im Bundestag und Bundesrat steht der Regierungschefin erst noch bevor. Und das wird schwierig. Sowohl im Parlament als auch in der Länderkammer bläst Merkel ein starker Wind ins Gesicht. Weder die Kanzlermehrheit ist sicher, noch klar, ob die von der Union geführten Länder dem Fonds zustimmen. Damit droht der Kanzlerin ein ähnliches Schicksal wie Außenminister Westerwelle, der zum Auftakt der Koalition noch als Tiger gestartet war, inzwischen aber als Bettvorleger gelandet ist."

Unions-Fraktionschef Volker Kauder beschwört die Unions-Abgeordneten daher, der Kanzlerin bei der Abstimmung im Bundestag nicht die Gefolgschaft zu verweigern. Der Appell selbst ist dabei für den Münchner Merkur uninteressant. Die Begründung aber stößt auf harte Kritik: "Die Eurorettung sei 'keine klassische Gewissensfrage'. Ach nein? Berührt es also nicht das Gewissen der gewählten Abgeordneten, wenn sie die finanzpolitische Zukunft des Landes in die Hände Brüssels legen? Wenn sie Bürgschaften von hunderten Milliarden Euro abnicken und einen Großteil der Steuereinnahmen verpfänden? Wer so leichthändig, so abgebrüht argumentiert, sollte sich nicht wundern, wenn die Bürger das Vertrauen in die Retter vollends verlieren."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen