"Sechs Prozent" Konjunkturprognose
22.04.2009, 21:02 UhrDeutschland steht vor einer schweren wirtschaftlichen Krise. Wirtschaftsinstitute, der Internationale Währungsfonds und Finanzminister Steinbrück sind sich in ihren Prognosen einig: Die Wirtschaft wird um mindestens fünf Prozent einbrechen. Die Presse traut den Angaben der Institute nicht ganz über den Weg.
"Haben die Institute Recht?", fragt die Mittelbayerische Zeitung. Im Rückblick hinterlassen die Prognosen der Forscher immer den Eindruck, "dass sie vorhandene und absehbare Trends ganz gut fortschreiben". "Unerwartete Wendepunkte" oder sogar Brüche aber "werfen die Vorhersagen fix über den Haufen", meint das Blatt aus Regensburg. Sechs Prozent in der Prognose seien nur logisch und nicht überraschend, "nachdem das Jahr 2009 noch grauenvoller gestartet war, als (es) 2008 geendet hatte".
Die Stuttgarter Zeitung meint: "Die Prognosen der Forscher sind noch nie besonders treffsicher gewesen." Schon gar nicht in der momentanen Situation. Denn eines hätten die Wissenschaftler in ihren Modellen bisher ganz schlicht unterstellt: "Dass die Finanzmärkte reibungslos funktionieren und keinen störenden Einfluss auf die Realwirtschaft haben." Die Erkenntnis, dass diese Annahme falsch ist, führe aber nicht weiter. Da es keine neuen Modelle gebe, die die Realität besser abbilden, fragt die Zeitung: "Ist es dann nicht vernünftiger, auf Prognosen zumindest eine Zeit lang zu verzichten?"
Das Handelsblatt hat eine Tageszahl festgelegt: "sechs Prozent". Das Blatt stellt die Zahl nicht in Frage und schreibt: "Um so viel sinkt die Wirtschaftsleistung in Deutschland 2009." Die Zeitung findet Gefallen an Zahlenspielen und rechnet vor: "Das Bruttoinlandsprodukt schrumpft um rund 150 Milliarden Euro. Rein rechnerisch entspricht das ungefähr sechs Millionen Mittelklasseautos." Weiter wundert sich die Zeitung, dass sich das politische Berlin "trotz dieser Horrorzahlen aus dem Frühjahrsgutachten" so gelassen gebe und wohl hoffe, dass die Talsohle erreicht sei. Kann sich die Bundesregierung eine Ablehnung eines dritten Konjunkturpaketes im Einklang mit den Instituten erlauben? Das Blatt resümiert: "Selbst wenn die Regierung mehr tun wollte, bliebe ihr nicht viel Handlungsspielraum", und hofft, "dass sich die Institute auch dieses Mal mit ihrer Prognose geirrt haben".
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung formuliert vorsichtiger: "Vieles deutet darauf hin, dass Deutschland - gerade auch am Arbeitsmarkt - eine kräftige Durststrecke bevorsteht, die sich weit in das nächste Jahr ziehen wird." Doch auch Prognose-Skeptiker könnten die neuen Zahlen der Ökonomen nun nicht mehr nur "als kollektive Schwarzmalerei" abtun. Das Blatt schätzt "die Annahmen, auf denen die Frühjahrsschätzung beruht" realistisch ein, "vielleicht gar ein wenig optimistisch". Wirtschaftsforscher unterstellten eine langsame Gesundung des Bankensystems und bewerteten dies zugleich als "den größten Unsicherheitsfaktor". Es könne sogar zu einer abermaligen Vertrauenskrise kommen. Für das Blatt aus Frankfurt sei es "daher ein gutes Zeichen, dass die Bundesregierung und die Wirtschaft wieder an einem Strang ziehen. Das hilft, in dieser Krise die Nerven zu bewahren."
Zusammengestellt von Julia Jaroschewski
Quelle: ntv.de