G20-Gipfel in Seoul "Krisenallianz fällt auseinander"
10.11.2010, 20:50 UhrKaum ist die Weltwirtschaftskrise gebannt, handelt wieder jeder für sich allein und häufig auch gegeneinander. Während sich die G20 in Krisenintervention profiliert, scheint sie an langfristigen Lösungen nicht interessiert zu sein. Die Presse erwartet demnach nicht viel vom Gipfel in Seoul. Einige stellen zum Erschrecken der anderen sogar die Existenzfrage.
Schon der Gipfel in Pittsburgh habe enttäuscht, erinnern die Nürnberger Nachrichten. Und nun bewahrheite sich, was Experten schon 2009 befürchtet haben: „Je mehr die Erinnerung an die Tage verblasst, als die (Finanz-)Welt am Abgrund stand, desto mehr lässt der Druck zu durchgreifenden Reformen nach.“ Die Symptome der Vorkrisenzeit seien jedoch längst wieder zu erkennen: „Billiges Geld der Notenbanken bläht die Finanzmärkte auf, die Schere zwischen Arm und Reich klafft weiter denn je auseinander, Spekulanten treiben längst wieder ihr unheilvolles Spiel mit schwachen Staaten und seltenen Rohstoffen. Und Banken entwickeln eine Selbstbedienungsmentalität, als hätte es das von ihnen verursachte Chaos nie gegeben.“
Vor Pittsburgh haben sich die G20 glänzend bewährt, denn „eine zweite Depression wurde verhindert“, konstatiert die Süddeutsche Zeitung. Mittlerweile gehe es jedoch weniger um Kriseninterventionen als um langfristige Lösungen. Und da „fällt die Krisenallianz auseinander“. Jetzt handle wieder jeder für sich allein und häufig gegeneinander. Dies sei vielleicht unabwendbar. Das Blatt meint dazu: „Wenn das Haus brennt, fällt Solidarität leichter, als wenn der Brand gelöscht ist und es darum geht, die neuen Feuerschutzvorschriften umzusetzen. Was nottut, ist eine Strategie der kleinen Schritte.“
Auch Die Zeit schwelgt in den Katastrophenjahren: „Für einen Augenblick hatte es geschienen, dass die Finanzkrise zu einem Welteinigungsmoment werden könnte, dass sich das Gemeinschaftsgefühl der Rettungsarbeiten auf Überlebensfragen wie Umweltpolitik oder Armutsbekämpfung ausweiten würde.“ Heute spüre das Wochenblatt aus Hamburg nicht mehr viel davon. Einer politischen Gestaltung der moralischen Größe ‚Menschheit‘ sind wir nicht näher, jedenfalls nicht nahe genug gekommen.“
Die Wetzlarer Neue Zeitung wirft dagegen einen Blick nach vorn und fordert: „Die Staats- und Regierungschefs sollten lieber beweisen, dass sie nicht nur in Krisenzeiten zusammenarbeiten, sondern ihnen auch langfristig an einem weltweiten Krisenmanagement und Wohlstand gelegen ist. Sollte es allerdings wieder nur so sein, dass der Gipfel viel kosten und wenig bringen wird, dann wird man sich langfristig die Frage nach der Existenzberechtigung der G20 gefallen lassen müssen.“
Das stellt die Frankfurter Rundschau rein gar nicht in Frage, denn „die G20 sind unverzichtbar, um im 21. Jahrhundert ein Mindestmaß an Koordination in der Weltwirtschaft sicherzustellen“. Doch das Blatt ist der Meinung, dass sich die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und neu erfinden müsse und sieht in Soeul als einen „Gipfel des Übergangs“. „Von den Problemen der USA geht die größte Gefahr für die Weltwirtschaft aus. Natürlich stehen die Vereinigten Staaten selbst in der Pflicht, ihre Defizite in den Griff zu bekommen. Aber die Überschussländer können helfen, indem sie ihren Beitrag an den Handelsungleichgewichten anerkennen. Den Streit können die G20 nicht beenden, weil die Interessen zwischen den USA und den Exportländern China und auch Deutschland zu weit auseinandergehen. Aber sie und nur sie können ihn entschärfen.“
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger