Steinmeier und die Ukraine-Krise "Lawrow ist unverfroren"
06.05.2014, 20:37 Uhr
Angesichts der Kriegsgefahr in der Ostukraine versucht die internationale Diplomatie mit allen Mitteln, die Krise zu entschärfen. Allen voran macht sich Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus der Ukraine und Russland, Andrej Deschtschiza und Sergej Lawrow, in Wien für eine zweite Genfer Friedenskonferenz stark. Doch seine Bemühungen erleiden einen Rückschlag: Moskau stellt aus ukrainischer Sicht unerfüllbare Forderungen für neue Friedensgespräche in der Schweiz: Eine Teilnahme der Separatisten kommt für die Führung in Kiew nicht infrage.
"Was die Ukraine jetzt dringender denn je braucht, ist eine rasche Deeskalation", konstatiert das Handelsblatt. Der Kommentator aus Düsseldorf befürwortet die Initiative Steinmeiers: "Um den Zerfall des Landes nicht weiter zu beschleunigen, muss die Übergangsregierung an den Verhandlungstisch in Genf zurückkehren. Sie mag den Großteil der Ukrainer vertreten, doch längst nicht mehr alle. Das wird immer mehr Diplomaten der EU klar. In dieser Situation ist Dialog und nicht Konfrontation gefragt. Nur so kann das Ziel erreicht werden, die gewalttätige Opposition zu entwaffnen sowie Sicherheit und Ordnung wieder herzustellen. In Wien hat die ukrainische Regierung erst einmal eine wichtige Chance auf einen schnellen Frieden verspielt".
Dabei hat Frank-Walter Steinmeier nach Ansicht der Nürnberger Zeitung "in Genscher-Manier" seinen "ganzen politischen Einfluss in die Waagschale geworfen": "Wie auf kranke Gäule redete er am Rande der Außenministerkonferenz in Wien auf seine Kollegen Lawrow und Deschtschiza ein; und die haben ihm offenbar versprochen, alles zu tun, um eine weitere Eskalation der Gewalt in der Ostukraine zu verhindern".
Die Kieler Nachrichten warnen: "Der deutsche Außenminister muss aufpassen, dass er sich mit seinem flehentlichen Bitten, Moskau möge doch an den Verhandlungstisch zurückkehren, nicht lächerlich macht. Es ist unverfroren, dass ausgerechnet der russische Außenminister Lawrow den Westen vor altem Blockdenken warnt. Hier wird die Wahrheit auf den Kopf gestellt, ohne dass Steinmeier dem in aller Deutlichkeit widerspricht. Diplomatie ist die Kunst des Verhandelns. Sie sollte jede Chance nutzen, den Frieden zu erhalten. Aber die eigene Verhandlungsposition wird durch Leisetreterei nicht besser. Die Berliner Diplomatie macht sich gerade zum Zwerg - gegenüber Moskau und im westlichen Bündnis".
Die Landeszeitung Lüneburg stellt die Frage in den Raum, welche Lehren die EU aus der Ukraine-Krise ziehen müsse und kommt zu dem Schluss: "Passé sollte eine unbedarfte Erweiterungspolitik sein, die Nachbarn Avancen machte, ohne Moskaus Gegenreaktion mit einzurechnen. Blanke Machtprojektion verschwand nicht aus dem geopolitischen Arsenal, nur weil die Westeuropäer 60 Jahre Frieden genießen durften". Das Blatt aus Niedersachsen mahnt: "Es ist höchste Zeit für eine Renaissance strategischen Denkens in Europas Hauptstädten".
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de