Pressestimmen

Rücktritt in Brandenburg "Matthias Platzeck wird fehlen"

Matthias Platzeck verlässt die Pressekonferenz, in der er seinen Rücktritt erklärte.

Matthias Platzeck verlässt die Pressekonferenz, in der er seinen Rücktritt erklärte.

(Foto: REUTERS)

Der Tenor der Kommentare in den deutschen Zeitungen ist weitgehend einheitlich: Respekt für Matthias Platzeck, der, so die "Mitteldeutsche Zeitung", zum Besten gehörte, das die DDR der Bundesrepublik zu bieten hatte.

Die in Potsdam erscheinende Märkische Allgemeine Zeitung zollt Platzeck Respekt und blickt voraus in die Zeit nach seinem Abgang - was ein Nachteil für Brandenburgs SPD sein könne müsse kein Schaden für das Land sein, so die Zeitung: "Dass Platzeck sich jetzt auch nicht mehr davon abhalten ließ, dass er schon einmal aus gesundheitlichen Gründen ein wichtiges Amt aufgeben musste - 2006 den Vorsitz der Bundes-SPD - verdient erst recht Respekt. Dieses erneute Eingeständnis von Schwäche ist stark. Die SPD hat ihre unangefochtene Spitzenposition im Land allein dem Charisma zweier Männer zu verdanken - Manfred Stolpe und Matthias Platzeck. Diese beiden Glücksfälle könnten sich nun allerdings für die Sozialdemokraten in Brandenburg in einen Fluch verkehren. Stolpes und Platzecks ewigem Nimbus als Volksversteher und Krisenmanager konnten auch politische Irrtümer oder Niederlagen nichts anhaben. Die Ära der Volkstribunen in Brandenburg dürfte mit Platzeck aber zu Ende gehen. Und das muss nicht verkehrt sein."

Die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle nennt Platzeck einen Ausnahmepolitiker. "Er ist neben Angela Merkel der einzige regierende Ostdeutsche, der aus der Wendezeit heraus den ganzen Weg der vereinigten Bundesrepublik mitgestaltet hat. Der, anders als die Kanzlerin, seine politischen Wurzeln in der Oppositionsbewegung der DDR hat. Er gehörte zu dem Besten, das der untergegangene deutsche Staat dem anderen zu bieten hatte und von dem der so wenig angenommen hat. Die Popularität Platzecks lag genau darin begründet. Er war, er ist eine glaubwürdige Identifikationsfigur für alle Ostdeutschen, die mit aufrechtem Gang ihre Zukunft in der Bundesrepublik gesucht haben. Er wird fehlen."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt: "Er verstand sich als Anwalt nicht nur des preußischen Kernlands, sondern auch als Sachwalter der ehemaligen DDR-Bürger. Seine lange Regierungszeit im wirtschaftlich recht ordentlich dastehenden Brandenburg war keineswegs frei von Skandalen, aber der Ministerpräsident zeigte sich bemüht, etwa mit Blick auf überhöhtes Trennungsgeld für die mehr oder weniger qualifizierten Aufbauhelfer aus dem Westen, Strenge walten zu lassen. ... Sein Kronprinz Woidke muss in die Rolle des Kurfürsten von Brandenburg erst hineinwachsen. Zuletzt hatte Platzeck sein politisches Schicksal ausgerechnet mit dem des Großflughafens verknüpft - der kann jetzt allein scheitern. Der SPD aber fehlt nun ein Ministerpräsident, der zugleich eine glaubhafte Stimme des Ostens ist."

Die Süddeutsche Zeitung sieht in Platzecks Rückzug eine Lehre für die Politikverdrossenen: "Nach dem Rückzug vom SPD-Bundesvorsitz im Jahr 2006 mischte Platzeck sich kaum noch in Nicht-Brandenburgisches ein; Regierungs- sowie SPD-Landeschef und dann vor allem der Aufsichtsratsposten beim Flughafen BER - das sind Jobs, in denen auch gesunde Menschen nicht gesünder werden. Dieser Abgang enthält auch eine Botschaft an jene, die Politiker für bequem, überbezahlt oder abgehoben halten. Hier wird offenbar, was Politik für die Akteure doch oft ist: der unmögliche Versuch, mit den eigenen Kräften zu haushalten. Jetzt hat es mal einer offen zugegeben."

Ähnlich kommentiert die Lüneburger Landeszeitung: "Politik ist ein höchst kräftezehrendes Geschäft - allen verbreiteten Vorurteilen über die gern gescholtene Zunft zum Trotz. Dem enormen Pensum im zeitintensiven Dreieck zwischen Mandat, Wahlkampf und erwünschter Bürgernähe zollen viele Tribut. Vor allem gesundheitlich. Aber nur wenige mögen sich das selbst und schon gar nicht anderen eingestehen. Matthias Platzeck zählt zu den Ausnahmen, wie er bereits bei seinem überraschenden Rückzug vom SPD-Bundesvorsitz 2006 nach nur 146 Tagen im Amt gezeigt hat. Seine jetzige Entscheidung zum Rücktritt von seinen politischen Ämtern verdient nur eines: Respekt. Der populäre Ministerpräsident, dem selbst das Hauptstadt-Flughafendebakel nicht wirklich schaden konnte, wird der SPD als ein Sympathieträger fehlen."

Dies glaubt auch der Kölner Stadt-Anzeiger: "Matthias Platzeck wird fehlen in der deutschen Politik. Ein Mann mit Augenmaß, Anstand und Empathie. Aber nun auch einer, der neue Maßstäbe gesetzt hat in der Politikerwelt der harten Hunde. Der zeigt, dass man auch mal sagen darf, sagen muss: Ich kann nicht mehr."

Die Rheinpfalz aus Ludwigshafen meinen, Platzeck hätte bei besserer Gesundheit noch mehr erreichen können. "Spätestens seit Platzeck den SPD-Bundesvorsitz nach kurzer Zeit aufgeben musste, wurde sichtbar, dass er mit seinen Kräften streng haushalten muss. Seine gesundheitlichen Probleme verhinderten den Sprung des ostdeutschen Hoffnungsträgers nach ganz oben; letztlich blieb er hinter seinen Möglichkeiten zurück. Dass Platzeck die Aufsicht über den Pannen-Airport BER übernommen hat, entsprach zwar seiner preußischen Auffassung von Pflichterfüllung, war aber eine Last zu viel. Gleichwohl hat er noch lange mit dem Rücktritt gezögert - auch weil er seine Ära zumindest mit einem verbindlichen Eröffnungstermin beenden wollte. Vergeblich."

Quelle: ntv.de

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