Obamas Geheimdienstreform "Mehr als befürchtet, weniger als erhofft"
17.01.2014, 21:51 Uhr
In einer Grundsatzrede stellt US-Präsident Barack Obama seine Reformpläne für die Geheimdienste vor. Deren Überwachungspraktiken sollen künftig eingeschränkt werden, verspricht er. Das sei zwar keine radikale Kursänderung, aber mehr sei auch nicht zu erwarten, urteilen die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen.
"Was ändert sich für Nicht-Amerikaner?", fragt sich der Tagesspiegel. Zwar verspreche Obama ihnen, dass ihre Rechte künftig besser geschützt wären, die eigentliche Frage sei jedoch, so die Zeitung aus Berlin: "Wer garantiert, wer kontrolliert das?" Über das Abhören anderer Regierungen entscheide künftig das Weiße Haus, nicht mehr die NSA. Gestoppt werde die Praxis dadurch nicht. Die Erwartungen vieler Deutscher seien von der Rede des US-Präsidenten enttäuscht worden. Der fehlende Reformwille Obamas sei jedoch nicht überraschend, denn: "Er ist Präsident der Amerikaner. Die ticken anders und beharren auf den aus ihrer Sicht erprobten Methoden, unbeeindruckt von der Empörung im Ausland."
Die Märkische Oderzeitung stellt die Wirksamkeit der angekündigten Reformpläne in Frage: "Ein wenig werden die US-Geheimdienste nun doch an die Kandare genommen: keine Überwachung mehr von verbündeten Regierungschefs, weniger Speicherung, dafür mehr Privatheit, auch für jene, die im Ausland leben, außer - das ist klar - wenn die innere Sicherheit geschützt werden muss. Natürlich. Was soll solch ein Dienst denn auch sonst? Und damit künftig nichts mehr schiefgeht, gibt es jährlich einen Kontrollbericht. So viel Kosmetik war irgendwie auch das Mindeste, was zu erwarten war. Doch darf bezweifelt werden, dass sich die Eigendynamik von gut einem Dutzend Diensten und den Geheimgerichten wirklich ernsthaft kontrollieren lässt."
Die Welt erinnert an die historische Bedeutung der Geheimdienste für die USA: "Der Krieg gegen die Kolonialmacht England hatte nur dank einiger Spionageaktionen Erfolg. Der Zweifrontenkrieg gegen Japan und Deutschland gelang Amerika 1942 nur deshalb, weil es Japans Funkverkehr mitlesen konnte. Und der 11. September 2001 wäre wahrscheinlich verhindert worden, hätte der Kongress nach Richard Nixon nicht radikal in die Kompetenzen der Geheimdienste eingegriffen. Diese Erinnerungen sitzen tief. Wenig ist so verheerend für ein US-Staatsoberhaupt wie die Anschuldigung, Amerikas Sicherheit gefährdet zu haben. Obamas Reformvorschläge fallen deshalb milde aus. Ein Radikalumbau der Dienste wird ausbleiben."
Die Stuttgarter Zeitung räumt ein, dass die Haltung des US-Präsidenten viele Europäer enttäuschen möge, sieht aber in den angekündigten Einschränkungen für die Geheimdienste eine positives Signal: "Mit seiner Rede im Washingtoner Justizministerium hat Obama Hoffnung gemacht, dass seine Wurzeln in der Bürgerrechtsbewegung nicht gänzlich vertrocknet sind. Er zeigt sich gewillt, die NSA stärker als bisher zu kontrollieren, einige Schranken einzuziehen und etwas mehr Transparenz herzustellen."
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentiert recht ressourcenorientiert: "Obama will die Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung verschärfen und die Stellung der Geheimgerichte stärken. Fortan soll also die NSA nicht mehr uneingeschränkt tun, was sie will und wozu sie technisch in der Lage ist. Das große Überwachungsnetz wird nicht mehr so einfach über Land und Leute und die Welt geworfen werden können, vorausgesetzt, der Kongress stimmt dem zu. Das wird Bürgerrechtlern nicht genügen, aber es ist mehr, als erwartet worden war. Was wiederum den Geheimdiensten nicht gefallen dürfte."
"Mehr als befürchtet, aber weniger als erhofft", ist das Fazit der Landzeitung aus Lüneburg über Obamas Geheimdienstpläne. Die Zügel, die der NSA im Inland angelegt werden seien nur aus Samt und die Versprechen an die internationale Staatengemeinschaft ungenügend: "Für das Ausland lieferte Obama lediglich die Zusicherung, dass das Ausspähen anderer Regierungen begrenzt wird. Garantien, dass Verbündete nicht mehr wie Vasallen behandelt würden, gab Obama nicht." Ein wenig Hoffnung mache jedoch, "dass die heftige Kritik offenbar nicht spurlos an der Vormacht vorbei gegangen ist". Sorgen bereite allerdings, "dass zumeist nicht der gelernte Verfassungsrechtler Obama sprach, sondern der Oberbefehlshaber". Mit Blick auf den 11. September kommentiert die Zeitung abschließend: "Leider ging das für Amerikaner neue Gefühl der Verletzbarkeit eine unheilige Allianz mit den Abstiegsängsten der überdehnten Supermacht ein."
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.
Quelle: ntv.de