Verschobene Kindergelderhöhung "Nein, zwei Euro sind keine Lappalie"
11.03.2014, 21:39 Uhr
Die Bundesregierung plant offenbar, das Kindergeld vorerst nicht pauschal um die geplanten zwei Euro pro Kind zu erhöhen. Eine solche Aufstockung soll nun doch erst 2016 kommen - dafür dann aber um einen weitaus höheren Betrag. Grund für diesen Sinneswandel könnte das von Finanzminister Wolfgang Schäuble angestrebte Haushaltsziel für 2014 sein. Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen sind sich in ihrer Berichterstattung weitestgehend einig: Die schwarz-rote Koalition gibt in der Angelegenheit kein gutes Bild ab.
"Was sind schon zwei Euro im Monat?", fragt sich die Berliner Zeitung. "Nicht der Rede wert, oder? So sieht es die Große Koalition und will die anstehende Minikindergelderhöhung um zwei Jahre verschieben. Zu viel Aufwand für so wenig Geld, und der dringend angestrebte Ausgleich des Haushalts wäre nebenbei auch noch leichter zu erreichen. Also alles fein?", fragt das Blatt weiter und gibt seine Einschätzung dazu: "Mitnichten. Wir haben es mit einer Koalition zu tun, die viel für heutige und künftige Rentner tut, die für ihre Abgeordneten im Eiltempo eine kräftige Gehaltserhöhung durchsetzt, der aber für Familien in prekären Lagen schon zwei Euro pro Kindernase zu viel sind. Die Schwächsten werden am Schlechtesten behandelt. Und können gern noch zwei Jahre warten."
Der Kölner Stadt-Anzeiger sieht dabei eine generelle Kontroverse in der familienpolitischen Arbeit der Großen Koalition: "Eben erst hat eine Studie die Not vieler Alleinerziehender deutlich gemacht. Sie müssten stärker entlastet werden, erklärte umgehend das Familienministerium. Man werde mit dem Finanzminister sprechen. Na dann viel Erfolg. Der hat gerade den Steuerzuschuss für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern gestrichen. Irgendwie muss der ausgeglichene Haushalt ja zustande kommen. Und anstatt das Kindergeld, wie von der Union versprochen, jetzt um 35 Euro zu erhöhen oder, wie von der SPD angestrebt, neu und sozial gerechter zu gestalten, erklären die Koalitionäre die rechtlich erforderliche Anhebung um zwei Euro für zu aufwendig - welch ein Zynismus."
Auch die Leipziger Volkszeitung urteilt: "Nun lässt sich mit zwei Euro keine familienpolitische Wende herbeiführen. Die niedrigen Geburtenzahlen werden nicht nach oben schnellen, weil sich skeptische Paare durch den Betrag blenden lassen. Auch der Aufschrei der Eltern dürfte sich angesichts der gestrichenen, von der Mehrheit verschmerzbaren Summe in Grenzen halten. Und die Koalition - schwankend zwischen reiner Kindergeld-Aufstockung und Erhöhung der Kinderzuschläge für Bedürftige - vermeidet noch dazu, sich an einem weiteren Streitthema abzukämpfen." Dennoch stellten andere Zahlen das Primat der Haushaltsdisziplin infrage: "So sind in Deutschland über zwei Millionen Kinder von Armut bedroht. Viele gering verdienende Eltern müssen mit jedem Geldstück rechnen. Und zwei Euro im Monat sind zugleich 24 Euro im Jahr. Das sind zwei Zoo-Besuche in Leipzig oder sogar fünf in Dresden, plus Eis und kleines Souvenir. Ein paar schöne Erlebnisse in einem Kinderleben. Nein, zwei Euro sind eben doch keine Lappalie!"
Über die Verschiebung könne man nur dann reden, wenn der gesetzlich verordnete Aufschub auch zu echten Reformen genutzt werde, finden die Kommentatoren der Stuttgarter Nachrichten. Denn: "Längst liegen Vorschläge für eine Kindergrundsicherung auf dem Tisch, die mit einem Schlag die gewaltige Antragsbürokratie für Kindergeld, Bafög oder Unterhaltszuschuss abschaffte. Das muss geprüft werden. Mitbedacht werden muss aber auch der Grundsatz, dass den Eltern am besten durch eine gute Infrastruktur von Betreuungsangeboten geholfen wird."
Die Badische Neueste Nachrichten aus Karlsruhe glaubt hingegen, dass der sozialdemokratische Koalitionspartner mit Schäubles Bremsmanöver gut leben könne, denn "ihre Familienministerin will das Kindergeld ohnehin nicht mehr pauschal erhöhen, sondern lediglich den Kinderzuschlag für Geringverdiener anpassen. Bei CDU und CSU allerdings klaffen Wunsch und Wirklichkeit immer weiter auseinander. Die vage Zusage, die Erhöhung 2016 könnte dafür etwas großzügiger ausfallen, ist genau besehen ja nicht viel wert. Wenn Wolfgang Schäuble jetzt schon kein Geld für die Erhöhung des Kindergeldes um zwei Euro hat - woher soll er dann die Milliarden für eine Erhöhung um zehn, 15 oder gar 30 Euro in zwei Jahren nehmen?"
Zusammengestellt von Louisa Uzuner.
Quelle: ntv.de