Thronwechsel in Spanien "Neue Monarchie in einer neuen Zeit?"
19.06.2014, 22:12 Uhr
Spaniens Fußballfans haben ihre rot-gelben Flaggen und Banderolen längst eingerollt. Doch am Morgen nach dem schmerzhaften Aus des WM-Teams sind sie im Zentrum von Madrid wieder tausendfach zu sehen: diesmal zur feierlichen Vereidigung des neuen Königs. Trost finden darin allenfalls die glühendsten Verfechter der Monarchie. Doch Felipe VI. will als "Bürgerkönig" das angekratzte Image der spanischen Monarchie wieder aufbessern.
Der 18. Juni 2014 wird in die Geschichte Spaniens eingehen, da ist die Märkische Oderzeitung sicher. "Am Nachmittag dankte König Juan Carlos II. ab, der das Land 39 Jahre lang aus der Franco-Diktatur in die Demokratie führte. Nicht ganz so lang war die Hegemonie der Fußballer. Sie beherrschten die Welt seit 2008, ehe sie am Abend nach dem 0:2 gegen Chile im berühmten Maracana-Stadion zu Rio de Janeiro ihre WM-Titelträume begraben mussten. Hier wie dort stehen die Nachfolger bereit. Am Donnerstag wurde Felipe VI. vereidigt, der eine integre und transparente Monarchie versprach. Und auch um Spaniens Fußball müssen sich die Landsleute - ungeachtet der doch ziemlich desaströsen Auftritte in Brasilien - wenig Sorgen machen. Denn die iberischen Talente scharren schon mit den Füßen."
Auch in der Monarchie soll eine neue Zeit anbrechen. "Felipe wird beweisen müssen, dass ein königlicher Staatschef, der per Adelsabstammung ins Amt rückt, sehr viel nützlicher für das Land sein kann, als ein demokratisch gewählter Staatspräsident", so die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle. "Dies wird ihm nur gelingen, wenn er seinen hoheitlichen Job mit jener Bürgernähe, Bescheidenheit und Transparenz führt, die man von einem modernen Staatsrepräsentanten heute erwarten darf. Sein Vater Juan Carlos, der fast vier Jahrzehnte auf dem Thron saß, war an dieser Aufgabe gescheitert."
Enorme Herausforderungen sieht auch die Neue Osnabrücker Zeitung für Felipe. "Felipe VI. will ein Bürgerkönig sein. Ein schöner Slogan. Doch für Spaniens neuen Monarchen wird es schwer, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen. Das klägliche WM-Aus der Fußballnationalmannschaft in Brasilien passt zur depressiven Stimmung in großen Teilen der spanischen Gesellschaft. Vom Glanz der wirtschaftlichen Boomzeiten ist seit Jahren nichts mehr zu spüren. Der stete Niedergang der spanischen Volkswirtschaft im Zuge der Euro-Krise ist noch nicht gestoppt. Juan Carlos I. hatte einen großen Fehler begangen, als er in Afrika Großwild jagte, während viele Spanier Job und Haus verloren. Felipe VI. muss ein König der Krisen-Verlierer sein. Dann kann er Achtung gewinnen."
Die Krone müsse die Nähe zu den Bürgern suchen, sagte Felipe, sie müsse deren Wertschätzung, deren Respekt und deren Vertrauen gewinnen. Ob ihm das bei seiner Antrittsrede gelungen ist, darüber streitet die deutsche Presse. "Vor dem spanischen Parlament, ist der König weit weg von der Wirklichkeit der einfachen Menschen", findet die Stuttgarter Zeitung. "Das Drama der Krise, die den Alltag dieser Menschen seit Jahren beherrscht, die sie verzagen und um ihre Zukunft fürchten lässt, streifte der Monarch nur mit wenigen Sätzen. Felipe muss wissen, dass ein paar Floskeln über die Krise nicht genug sind."
Die Welt dagegen hält die Proklamation Felipes für glaubwürdig und angemessen. "Es war eine ernste, empathische Rede. Sie zeigte, dass Felipe auch die Alltagssorgen der Bürger kennt. Der König kann nur Vermittler sein, aber die dazu notwendige Glaubwürdigkeit hat er sich mit dieser Rede verschafft. Sein Versprechen, für 'eine neue Monarchie in einer neuen Zeit' zu sorgen, kann man auch als Warnung an die Politik verstehen. Wenn es ihm gelingt, Spanien vor Rückwärtsgewandtheit, Erstarrung und Nationalismus zu bewahren, erfüllt er eine große demokratische Aufgabe."
Zusammengestellt von Anna Veit
Quelle: ntv.de, avei/dpa