Schuldzuweisungen beim BND-NSA-Abkommen "Ob von Steinmeier oder Adenauer unterzeichnet ..."
08.08.2013, 20:07 Uhr
Es ist ein Thema, dass die Kommentatoren beschäftigt: die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Parteien in der NSA-Spähaffäre. Erst wirft die Opposition der Bundesregierung vor, das Geschehen unzureichend aufzuklären, nun kontert die Koalition - in seltener Einigkeit mit der Linkspartei. Gemeinsam machen sie SPD und Rot-Grün als Übeltäter der Affäre aus: Ein Abkommen über die Zusammenarbeit der Geheimdienste BND und NSA sei 2002 vom Ex-Kanzleramts- und heutigen SPD-Fraktionschef Steinmeier eingefädelt worden. SPD und Grüne weisen die Vorwürfe zurück. Roland Peters von n-tv.de erachtet es als haarsträubend, "die komplette Schuld auf den damaligen Kanzleramtsminister zu schieben". Und was sagen die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen?
Die Welt schreibt: "Mit dem Abkommen zwischen BND und NSA vom April 2002 legitimierte Rot-Grün nicht die Wanzen in der Washingtoner EU-Vertretung - das ist richtig. Die SPD suggeriert nun, die Billigung der Zusammenarbeit von BND und NSA durch eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung habe nichts mit der heute angeblich stattfindenden 'millionenfachen Verletzung unserer Grundrechte' durch US-Abhördienste zu tun. Das ist quatsch", so der Kommentar aus Berlin: "Zum einen war auch 2002 klar, dass die USA nach dem 11. September 2001 alles unternehmen würden, um nicht noch einmal von Terroristen überrascht zu werden. Zum anderen ist die Unterstellung, die USA hörten heute mit Merkels Billigung Deutschland flächendeckend ab, eine Irreführung. Es geht bei der Zusammenarbeit um Terrorabwehr. Die ist so nötig wie kompliziert."
Für Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung kommt es, "wie es in einem Wahljahr kommen muss: Genüsslich dreht Schwarz-Gelb den Spieß um, attackiert nicht minder heftig Rot-Grün, nennt die Vorwürfe gegen Merkel, Pofalla und Friedrich eine 'Heuchelei' und fragt nach der Verantwortung von Steinmeier. In der Tat mutet es schon äußerst seltsam an, dass die SPD die Zusammenarbeit zwischen BND und NSA lautstark anprangert, ohne dass sich ihr eigener Fraktionschef zu Wort meldet und auf die damals geschlossene Vereinbarung hinweist." Für die bayerischen Kommentatoren steht nun "der sozialdemokratische Oberangreifer Thomas Oppermann ziemlich nass im Regen".
Die Süddeutsche Zeitung baut ein Szenario auf: "Wenn sich also bewahrheitete, dass Snowdens 500 Millionen Datensätze identisch wären mit den 500 Millionen Datensätzen des BND, dann wären zentrale Anschuldigungen obsolet. Und dann stünde die gesamte SPD-Führung, gelinde gesagt, saublöd da." Dann, so der Kommentar aus München, bekämen die Sozialdemokraten zu spüren, "wie dumm es laufen kann, wenn man in der Hoffnung auf einen besonders großen Skandal jede Vorsicht und jede Nachdenklichkeit aufgibt". Das Blatt zeigt keinerlei Verständnis dafür, "dass eine staatstragende Partei wie die SPD, die nach dem 11. September 2001 die Kooperation der Geheimdienste noch intensivierte, ihre eigene Rolle damals derart außer Acht lässt".
Der Kölner-Stadtanzeiger hingegen erkennt in den Vorwürfen an die SPD und Frank-Walter Steinmeier eine "Scheinheiligkeit": "Denn der Datenaustausch des BND mit der NSA entspringt dem Wunsch einer engen Zusammenarbeit der westlichen Sicherheitsdienste, den bislang noch alle Bundesregierungen geteilt haben. Dieser Austausch hat deshalb so gar nichts zu tun mit der mutmaßlich massenhaften Ausspähung der Bundesbürger durch die US-Geheimdienste". Folglich, so das Blatt aus Nordrhein-Westfalen, sei es für die aktuelle Spähaffäre auch "völlig unerheblich, ob die entsprechende Kooperationsvereinbarung von Steinmeier, Helmut Kohl, Willy Brandt oder von Konrad Adenauer unterzeichnet" worden sei.
Der Tagesspiegel mahnt zur Ruhe: Es "sollte, das lehrt der Verlauf der Debatte, nichts an sich schon für bewiesen oder widerlegt gelten. Der Verurteilungsdrang darf dem Wissen- und Verstehenwollen nicht übergeordnet sein". Und so besteht für den Kommentator aus Berlin "kein Grund für die Regierung, die über weite Strecken einen kläglich-abwartenden und erschreckend desinformierten Eindruck hinterließ, jetzt hämisch zu kontern. Kein Grund aber auch für Sozialdemokraten und Grüne, jetzt weiterzumachen, als wäre man selbst nicht ebenfalls auf die eine oder andere Art verstrickt".
Zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke
Quelle: ntv.de