Einigung im US-Schuldenstreit "Obama ist die lahmste aller Enten"
01.08.2011, 20:53 Uhr
Der Kompromiss ist erzielt, glänzend steht der US-Präsident dabei nicht da.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Einigung im US-Schuldenstreit ist da, in letzter Minute verständigen sich Demokraten und Republikaner. Die Staatspleite der USA ist damit abgewendet, aber niemand geht als Gewinner hervor. Ganz besonders Barack Obama steht als führungsschwacher Präsident da, dessen Partei von der Tea-Party-Bewegung auf einen populistischen Kurs gezwungen wurde.
Zwar sei der formale Staatsbankrott gerade noch mal abgewendet worden. "Aber wie stehen die USA da?", fragt die Mitteldeutsche Zeitung. Das Blatt aus Halle zieht "eine erbärmliche Bilanz für eine Supermacht. Und für einen Präsidenten, der mit so großen Hoffnungen gewählt worden ist". Denn das Land sei hochverschuldet und politisch tief gespalten. Hinzukommen "hohe Arbeitslosigkeit und niedriges Wachstum, Zehntausende Soldaten führen einen verlorenen Krieg in Afghanistan, der internationale Einfluss der USA ist so gering wie nie."
Der Mannheimer Morgen bezeichnet die Einigung von Demokraten und Republikaner im US-Schuldenstreit als einen "Sieg", der "aber keiner für Barack Obama und keiner für das Volk" sei. Gewonnen habe vielmehr die "populistische Tea-Party-Bewegung, die den Staat zu einem Mini-Staat schrumpfen lassen will, in dem Hilfen für Arme, Behinderte, Kranke keinen Platz haben. Die rechte Strömung mit ihrer radikalen Version von 'Jeder ist seines Glückes Schmied' hat die Gemäßigten im konservativen Lager und die Demokraten in Geiselhaft genommen." Den USA drohe zwar keine Staatspleite mehr, aber dafür mindestens ein verlorenes Jahrzehnt, schlussfolgert das Blatt.
Das Straubinger Tagblatt bewertet das Verhalten der Tea Party genauer, wenn es schreibt, dass die Bewegung "Obama regelrecht vor sich her getrieben und auf ihren politischen oder besser: populistischen Kurs gezwungen" habe. Dabei gebe es nur Verlierer, so die Zeitung. Dazu gehören die Spitzen von Demokraten und Republikanern, insbesondere der Präsident, "der sich führungsschwach gezeigt und zu lange gezögert hat, dieses wichtige Thema zur Chefsache zu machen. Was nun herausgekommen ist, ist etwas völlig anderes als das, was die Wähler, die Obama ihre Stimme gegeben haben, unter 'Change' verstanden haben."
Ähnliche Obama-kritische Töne schlägt die Schwäbische Zeitung an: "Viele von Obamas treuesten Anhängern fragen sich, was aus dem charismatischen Führer geworden ist, der den Ton in Washington ändern und Amerika zu neuen Ufern führen wollte. Verlauf und Ausgang des Schulden-Dramas illustrieren deutlich, wie aus dem hoffnungsvollen 'Yes we can' ein desillusioniertes 'Ich kann nicht' geworden ist. Ohne eigene Mehrheit im Kongress und mit einer Opposition, die vor kaum einer Grenze zurückschreckt, ist der Präsident, der historischen Wandel versprach, heute die lahmste aller 'lahmen Enten'. In den 18 Monaten bis zu den Wahlen wird Obama in diesem Kongress nichts mehr bestellen können. Er steht am Tiefpunkt seiner Präsidentschaft."
Die Märkische Oderzeitung nimmt den US-Präsidenten dagegen in Schutz, denn habe er einen Großteil des Desasters geerbt. "Es war George Bush, der die USA in zwei Kriege führte und gleichzeitig die Steuern für Reiche senkte und der mit einer Politik des billigen Geldes nach 9/11 den Weg für die spätere Finanzkrise ebnete. Die Schulden Obamas sind Ergebnis der Konjunkturpakete, die den Absturz danach vermeiden halfen. Zu seiner Tragik gehört, dass dies in den USA anders beurteilt wird als im Rest der Welt."
Für die Landeszeitung aus Lüneburg sind die schlechten Nachrichten für die USA, dass der Kompromiss im Schuldenstreit den Stempel der Tea-Party-Bewegung, einer außerparlamentarischen Opposition, trage. "Der Niedergang der Weltmacht wird sich beschleunigen, ihre innere Zerrissenheit zunehmen. Zwar bröckelt jede Machtbasis, die auf Pump aufgebaut wird - auf Entzug aber auch. Erstmals seit den neunziger Jahren legt Washington auch Hand an den Etat des Pentagons. Und das, obwohl die Supermacht bereits deutliche Zeichen der Überdehnung zeigt. Damit ist auch die militärische Überlegenheit, die letzte Bastion amerikanischer Unangefochtenheit, in Frage gestellt. Diesen Kompromiss werden die USA noch bereuen."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger