Pressestimmen

Wer ist schuld an der Eurokrise? "Orakelsprüche werden nicht hinterfragt"

Die Ratingagenturen haben Europa erneut in Aufruhr versetzt: Irland bekommt den "Ramschstatus" verpasst. Sind Moody's, S&P und Fitch deswegen schuld daran, dass sich die Eurokrise immer weiter verschärft? Liegt es nicht vielmehr an der Zögerlichkeit der Politiker? Oder sind es doch die Banker, die Europa "in die Scheiße geritten" haben?

Schuldig oder unschuldig?

Schuldig oder unschuldig?

(Foto: dpa)

"Als ob die Probleme der Euro-Zone mit den Schuldensündern nicht schon groß genug wären, lassen sich die Regierungen derzeit auch noch hypnotisieren. Gebannt wie das Kaninchen auf die Schlange starren die Euro-Retter auf die US-Ratingagenturen. Deren Orakelsprüche werden hingenommen wie Gottesurteile und nicht hinterfragt." Das aber müsse sich schnellstens ändern, findet die Landeszeitung aus Lüneburg: "Europa sollte sich bewusst werden, dass nicht alles, was die Rolle des Dollar als Leitwährung stabilisieren kann, eine ernstzunehmende Aussage über die Zukunft des Euro ist. Wer sich zum Kaninchen macht, erkennt vielleicht sogar in einem Regenwurm eine Schlange." Das Blatt hat kein Verständnis dafür, dass "Privatfirmen, deren Einstufungskriterien nebulös sind, derart große Macht über die Schicksale ganzer Volkswirtschaften eingeräumt wird. Es ist Zeit, diese Macht zu brechen."

"Die drei großen US-Ratingagenturen Moody's, S&P und Fitch führen die Regierungen Europas am Nasenring durch die Arena. Trotzdem taugen die Drei nicht für die Rolle des Schurken im Euro-Schuldenkrimi, den ihnen die erbosten Europäer so gern zuschieben würden", meint auch der Münchner Merkur. Die Zeitung hält außerdem Verschwörungstheorien nicht für angebracht, "wonach die Washingtoner Regierung nur von den eigenen Problemen ablenken wolle, indem sie 'ihre' Ratingagenturen mit dem Finger auf Europa zeigen lässt." Denn die wichtigste Komponente für ein solches Vorgehen fehle: "ein stichhaltiges Tatmotiv. Tatsächlich kann die Obama-Regierung kein Interesse daran haben, die nervösen Märkte weiter zu verunsichern." Eher ist das Gegenteil der Fall: "Wird das europäische Höllenfeuer nicht bald gelöscht, droht ein Flächenbrand, der zügig auch die bis zur Halskrause verschuldeten USA erfasst."

Es sei schwierig, auf eine Situation angemessen zu reagieren, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat, kommentiert die Leipziger Volkzeitung die Eurokrise und schränkt ein: "Doch diese Krise existiert nicht erst seit gestern. Viel zu lange hat man geglaubt, man könne mit homöopathischen Mitteln eine schwere Viruskrankheit behandeln. Ein Schuldenschnitt in Griechenland wurde stets zurückgewiesen mit dem Argument, die Ansteckungsgefahr sei dann zu groß. Doch es zeigt sich, dass andere Länder auch auf anderem Weg infiziert werden." Auch das sächsische Blatt findet es unsinnig, "auf die Ratingagenturen zu schimpfen". Das sei nicht anderes, als "die Überbringer schlechter Nachrichten zu köpfen. Am Übel ändert dies nichts."

"Die Krise hat sich so eingebrannt, dass jetzt nur noch die Konzentration auf das Wesentliche hilft: Der Euro muss gerettet werden", so der Appell der Süddeutsche Zeitung. "Ob mit oder ohne Beteiligung der privater Gläubiger ist irrelevant - später wird man gerechte Regeln einführen müssen. Nun geht es um den Erhalt der Währung. Dafür wird Deutschland viel Geld zahlen müssen. Aber jede Alternative ist kostspieliger - finanziell allemal, aber auch politisch."

Eine Regel allerdings kommt zu spät. Nämlich die, um das ruinöse Treiben der Banker zu stoppen. Denn für die Zeit aus Hamburg ist es der Investmentbanker als Synonym für "den Typus Finanzmanager, der uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten hat und jetzt schon wieder dabei ist, alles wieder genauso zu machen, wie er es bis zum Jahre 2007 gemacht hat. Hierzulande hätte die Politik schon lange erkennen müssen, dass die Struktur der deutschen Bankenlandschaft renovierungsbedürftig ist. Es ist nicht gut, dass deutsche Weltfirmen hinsichtlich der Finanzierung von großen Vorhaben und Investitionen von ausländischen Finanzinstituten abhängen."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen