Deutscher Schwenk in Libyen-Politik "Paradoxer geht es nicht"
08.04.2011, 21:34 UhrDie schwarz-gelbe Bundesregierung schließt den Einsatz von nicht mehr aus, sollte es zu einem humanitären Hilfseinsatz kommen. Dieser Schwenk in der Libyen-Politik beschäftigt die Kommentatoren, die der Regierung einen "Zickzackkurs" und "Doppelmoral" vorwerfen.
Die Neue Osnabrücker Zeitung kritisiert scharf die deutsche Libyen-Politik von Außenminister Guido Westerwelle. Sie geht dabei noch weiter und fordert den Rücktritt des Außenministers: "Selten war die deutsche Außenpolitik derart konfus und rätselhaft wie jetzt während des Libyen-Krieges. Zunächst schaffte es Außenminister Westerwelle im Sicherheitsrat, die wichtigsten Verbündeten vor den Kopf zu stoßen. Und nun soll die Bundeswehr doch unter dem Deckmantel humanitärer Güte in den nächsten Krieg entsendet werden. Dieser Zickzackkurs ist kaum vermittelbar. Die Regierungen in London, Paris und Washington dürften ebenfalls kaum verstehen, warum sich die Merkel-Regierung bei der UN auf die Seite von 'lupenreinen Demokraten' aus China und Russland stellt, um nun doch die NATO-Kriegseinsätze zu unterstützen. Was für ein Murks, den der Außenminister da angerichtet hat. Deshalb sind die Forderungen berechtigt, Westerwelle möge auch sein Ministeramt abgeben."
Die Freie Presse Chemnitz vermutet wahltaktische Gründe hinter dem Zickzack-Kurs: "Wenn die Bundeswehr jetzt doch zum Einsatz kommt, dann stellt sich die Frage, warum Deutschland der UN-Resolution nicht zugestimmt hat. Der diplomatische Flurschaden wäre in diesem Fall gar nicht erst eingetreten. Hat die Bundesregierung aus wahltaktischen Gründen den Ärger mit den Bündnispartnern heraufbeschworen, nur um die pazifistische deutsche Seele zu streicheln? Das ist zu vermuten, wenn man sich den Schlingerkurs auch in der Atomfrage anschaut."
"Nichts wäre auszusetzen an der Zusage der Bundesregierung zur Beteiligung an einer humanitären Mission in Libyen, zumal diese an ein UN-Mandat gebunden ist", meint die Ludwigsburger Kreiszeitung. "Wenn da nicht dieser abrupte Kurswechsel wäre, der von schlechtem Gewissen zeugt. Vielleicht auch von Doppelmoral. Oder, noch schlimmer, vom Einfluss, den deutsche Landtagswahltermine auf zentrale außenpolitische Entscheidungen dieser Regierung haben. Denn vor den für sie wichtigen Wahlen hat sich die gleiche Regierung zusammen mit Russland und China im UN-Sicherheitsrat enthalten, als es um die Durchsetzung eines Flugverbotes gegen den Diktator Ghaddafi ging. Das Schicksal von Stefan Mappus ging vor Moral und Weitsicht. Nun hat Mappus verloren, und die Weitsicht kann wieder gewinnen."
Die Wetzlarer Neue Zeitung warnt davor, dass bald auch in Libyen Deutsche getötet werden könnten. "Offenbar hat sich die deutsche Regierung dem Zeitgeis gebeugt, der aus dem Desaster der Bundeswehr in Afghanistan nichts gelernt hat. Schon zweimal haben Kampfflieger der Nato in Libyen aus Versehen Rebellen getötet - nicht anders als unzählige Zivilisten in Afghanistan. Den deutschen Soldaten, die dort eingesetzt werden, wird das wie in Afghanistan keine Sympathien einbringen. Man muss kein Militärexperte sein um vorauszusagen, dass Nachrichten von getöteten deutschen Soldaten uns bald nicht mehr nur aus Afghanistan, sondern auch aus Libyen erreichen werden. Der Einsatz von Bodentruppen der Allianz rückt immer näher, nachdem der Krieg aus der Luft nicht zu gewinnen war. Auch das war vorhersehbar."
"Paradoxer geht es nicht", meint der Mannheimer Morgen und stellt das Dilemma der Bundesregierung heraus. "Die Bundesregierung hat erkannt, dass es ein Fehler war, sich im UN-Sicherheitsrat zu enthalten. Vor den Landtagswahlen war die Angst groß, in einen neuen Krieg hineingezogen zu werden. Doch um diesen Fehler zu kompensieren, ist Berlin nun doch bereit, durch die Hintertür Soldaten ins östliche Mittelmeer zu entsenden. Ein weiteres Nein hätte die Regierung Merkel ins Abseits manövriert."
Die Märkische Oderzeitung betont, dass Deutschland nun sich als verlässlicher Partner zeigen will. "Berlin will offenbar Paris und London zeigen, dass es ebenfalls handlungsfähig ist. Ein möglicher Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der EU-Krisenreaktionskräfte wird als humanitäre Mission im libyschen Bürgerkrieg verkauft. Daraus könnte jedoch schnell ein Kampfeinsatz am Boden wie in Afghanistan werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür wächst, weil das wochenlange Bombardement aus der Luft bislang nicht den gewünschten Erfolg brachte. Dabei ging es keineswegs allein um den von der UNO beschlossenen Schutz der Zivilbevölkerung vor den Gaddafi-Truppen, sondern um eine massive Unterstützung für die Rebellen zur Herbeiführung eines Regimewechsels. Immerhin hat Merkel stets Gaddafis Rückzug gefordert und zumindest in diesem Punkt Kontinuität gewahrt. Alles andere ist ein erbärmlicher Zickzack-Kurs."
Der Trierischer Volksfreund sieht für die Bundesregierung keine andere Wahl. "Deutschland kann sich einem humanitären Hilfseinsatz in Libyen nicht verweigern. Nicht, wenn es darum geht, quasi vor unserer Haustür Menschen aus Bedrängnis und Gefahr zu retten. Da der Einsatz nicht in einem Erdbeben-, sondern in einem Kriegsgebiet geschehen soll, ist es ebenso selbstverständlich, dass Soldaten eingesetzt werden, um die Hilfsschiffe abzusichern. Wer das, wie die Linke, als Kriegseinsatz denunziert, hat statt humanitärer Maßstäbe nur noch Propaganda im Kopf."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Gudula Hörr