Pressestimmen

Lokführer streiken "Passt hinten und vorne nicht"

Die Gewerkschaft der Lokführer lässt die Muskeln spielen: Der deutsche Schienenverkehr wird von dieser Woche an flächendeckend bestreikt, ein Ende ist nicht absehbar. Ein riskantes Spiel, befinden die deutschen Tageszeitungen.

Der Kölner Stadt-Anzeiger befindet: "Die GDL läuft Gefahr, im Machtspiel zu überreizen. Streiks im Güterverkehr bedeuten, dass Transporte auf die Straße verlagert werden, womöglich für immer. Ein zu heftiger Aufstand könnte auch politische Folgen haben. 2010 hat das Bundesarbeitsgericht zwar entschieden, dass mehrere Tarifverträge innerhalb eines Betriebes zulässig sind, doch das ist umstritten. Viele Experten fordern eine gesetzliche Regelung, um mögliches Chaos zu vermeiden. Die GDL könnte die Politik ermuntern, dies nun anzugehen. Es wäre zu ihrem eigenen Schaden."

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(Foto: dpa)

Die Märkische Oderzeitung stimmt dem zu, wenn sie schreibt: "Und warum das alles? Weil der GdL ein von der sehr viel größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft abgeschlossener Branchentarifvertrag nicht passt. Was in diesem Vertrag schon angelegt ist, die Angleichung der Tarife zwischen Deutscher Bahn und den privaten Bahngesellschaften, will die GdL sofort, und zwar auf DB-Niveau plus ordentlichem Zuschlag. Man mag dieses Ansinnen in seiner Tendenz sogar begrüßen. Aber zu fragen ist doch, ob es gerechtfertigt ist, dafür Hunderttausende Pendler als Geisel zu nehmen und die Wirtschaft empfindlich zu stören. Ein Angebot zu schlichten, hat die GdL jetzt rüde abgelehnt. Sie muss aufpassen, dass sie nicht überzieht und die Stimmung sich gegen sie wendet."

Auch die Ludwigsburger Kreiszeitung gibt zu bedenken: "Es passt hinten und vorn nicht zusammen, für einheitliche Tarifbedingungen der privaten Anbieter auf dem Niveau der Deutschen Bahn zu kämpfen, aber die Deutsche Bahn gleichzeitig voll mit zu bestreiken. Dabei war ein Branchentarifvertrag für den regionalen Schienenverkehr schon zum Greifen nah. Doch die GDL lehnte auch deshalb ab, weil sie sich gegen die Konkurrenzgewerkschaft EVG profilieren will. Wenn dieses Beispiel in anderen Branchen Schule macht, geht Deutschland schlechten Zeiten entgegen. Erinnert sei auch daran, dass die GDL im letzten großen Tarifkampf 2007 und 2008 eine Lohnerhöhung im zweistelligen Prozentbereich erstritten hat. Davon können die meisten Arbeitnehmer nur träumen."

Die Westdeutsche Zeitung meint: "Das Verständnis der Bevölkerung für solche Machtspiele dürfte sich sehr in Grenzen halten. Die Kunden gar zum Spielball ihrer Interessen zu machen, könnte für die GDL gefährlich werden. Wenn frustrierte Pendler der Bahn dauerhaft den Rücken kehren, schlägt dies auch auf die Bahn-Mitarbeiter durch. Statt 'massive' Streiks zu organisieren, sollte die Gewerkschaft schleunigst an den Verhandlungstisch zurückkehren und einer Schlichtung zustimmen - wenn es ihr wirklich um die Sache der Lokführer geht."

Ähnlich sieht das der Trierische Volksfreund: "Erinnert sei auch daran, dass die GDL im letzten großen Tarifkampf 2007 und 2008 eine Lohnerhöhung im zweistelligen Prozentbereich erstritten hat. Davon können die meisten Arbeitnehmer nur träumen. Wenn das Verständnis für die Eisenbahner nicht kippen soll, muss sich die GDL schleunigst wieder an den Verhandlungstisch setzen. Ansonsten könnten viele Bahnfahrer auf die Bahn pfeifen und ins Auto umsteigen. Spätestens dann hätten sich die Lokführer selbst geschadet."

Die Dresdner Neuesten Nachrichten sehen hingegen auch das Verhalten der Bahn kritisch: "Dabei dürfte die DB dem Ziel der Lokführer, überall das gleiche Gehalt zu bekommen, an sich wohlwollend gegenüberstehen. Schließlich müssten vor allem die privaten Konkurrenten kräftig drauflegen. Das kann der Bahn nur recht sein, auch wenn das offiziell natürlich niemand zugibt. Denn der Wettbewerbsvorteil der Wettbewerber würde schlagartig zusammenschmelzen. Trotzdem ist die Bahn in dem Konflikt nicht ganz so unschuldig, wie sie gern vorgibt. Wer die GDL mitten in der Urabstimmung per Ultimatum auffordert, auf Arbeitskampfmaßnahmen zu verzichten, darf sich nicht wundern, dass die Streikbereitschaft noch steigt."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Thomas Schmitt

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