Syrieneinsatz: Ja oder nein? "Politik muss ethischem Kompass folgen"
05.09.2013, 21:15 Uhr
Durch den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien ist US-Präsident Barack Obama in einer misslichen Lage. Nach der von ihm gezogenen "roten Linie" müsste er nun eigentlich einen Militärschlag gegen das Assad-Regime verordnen. Es fehlt ihm aber sowohl außen- als auch innenpolitisch an Unterstützung. Auf dem G20-Gipfel in St. Petersburg wirbt er deshalb für sein Vorhaben. Russland und China sind weiterhin gegen einen Einsatz. Auch von deutscher und britischer Seite wird es keine Beteiligung geben. Allein Frankreich signalisiert Unterstützung. Auch die deutsche Presse zeigt sich skeptisch. Viele empfinden einen Militäreinsatz in dem Land als unüberlegt, unübersichtlich und vor allem unvorteilhaft für die syrische Zivilbevölkerung.

Auch die deutsche Bevölkerung, hier bei einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor, reagiert ablehnend auf einen Einsatz in Syrien.
(Foto: imago stock&people)
Der Tagesspiegel beschäftigt sich mit den möglichen Risiken einer Intervention in Syrien: "Wie reagiert Assad? Was tut die Hisbollah? Werden Russland und der Iran gegenhalten? Doch die Risiken des Nichtstuns sind keineswegs kleiner. 60.000 Tote im Jahr, Millionen Flüchtlinge, Al Kaida auf dem Vormarsch, erneute Einsätze von Massenvernichtungswaffen. Vietnam, Afghanistan und Irak sind abschreckende Beispiele - Bosnien, Kosovo, Mali und Sierra Leone zeigen, dass es anders geht. Empörung ist kein Kennzeichen von Moral, Gefühlskälte keine Bedingung für Vernunft. Irgendwo zwischen diesen Polen muss Politik sich verorten, die Folgen bedenken - und einem ethischen Kompass folgt. Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz: Wer nur eine der beiden Lektionen beherzigt, hat weder Herz noch Verstand."
Die Neue Osnabrücker Zeitung bezweifelt, dass sich Putins Protest zum Syrieneinsatz auf Pazifismus gründet. Tatsache sei allerdings, dass eine militärische Einmischung außerhalb der früheren Sowjetgrenzen längst nicht mehr zum Repertoire der russischen Außenpolitik gehöre. Und damit gibt die Zeitung Putin Recht: "Assad zu schwächen, dient nicht den strategischen Interessen Europas. Der Preis für nahöstliches Öl würde steigen, Assads Gegner sind nicht besser als er, der Bürgerkrieg würde in die Länge gezogen und die Zahl der Toten erhöht. Ferner fehlen nach wie vor Beweise, dass das Regime den Chemie-Angriff befohlen hat. Bisher kursieren lediglich Belege dafür, dass jemand glaubt, dass es so sei. Wollen die USA ihre Raketen also gesichtswahrend verschießen, sollten sie sich etwas mehr Mühe geben, die Welt zu überzeugen."
Laut Magdeburger Volksstimme wird es nun nach dem Friedensappell des Papstes immer schwieriger für Barack Obama Verständnis und Verbündete für einen Schlag gegen Syrien zu finden. G20-Gastgeber Russland sei wie China von Anfang an dagegen gewesen und auch die Europäer wollten - bis auf Frankreich - nicht mitmachen. Die Alternativen empfindet die Zeitung als wenig vorteilhaft: "Arabische Staaten bieten sich als Koalitionäre mit der dicken Geldbörse an. Was bedeuten würde, dass die USA eine Strafaktion gegen das Assad-Regime als Stellvertreterkrieg für alle Syrien-Feinde in Nahost starten würden. Eine anrüchige Allianz."
Auch für den Mannheimer Morgen ist es grotesk, dass der US-Präsident jetzt in Syrien eingreifen müsse, nur weil er es versprochen habe und der US-Kongress ihm dazu auch noch grünes Licht geben müsse, obwohl viele Abgeordnete und Senatoren große Vorbehalte hätten. "Und das alles, weil Obama eine 'rote Linie' festlegte, die mit dem Giftgas-Einsatz überschritten wurde. Wenn die USA als Weltmacht jetzt einknicken, werden sie zum Papiertiger - kein Diktator der Welt nimmt sie dann noch ernst. So ungefähr lautet die Argumentationskette. Das klingt alles logisch, aber zugleich auch simpel." Außerdem stellt sich der Kommentator die Frage: "Was ist denn richtig für Syrien? Jeder weiß, dass die Lage dort sehr kompliziert ist - und dennoch fordern sogenannte Strategen eine einfache Lösung: den Militärschlag."
Die Westdeutsche Zeitung schließlich rät Obama und Putin: "Sie allein haben es in der Hand, zumindest einen Befriedungsversuch in Syrien zu starten. Auch wenn das Verhältnis zum Beispiel wegen Menschenrechtsfragen und der Snowden-Affäre stark belastet ist, wäre es wunderbar, wenn der Gipfel heute mit zumindest etwas Hoffnung für Syrien zu Ende gehen könnte."
Zusammengestellt von Louisa Uzuner
Quelle: ntv.de