Politischer Aschermittwoch "Prost"
09.03.2011, 21:07 UhrGuttenberg, Guttenberg, Guttenberg: Der Politische Aschermittwoch kannte fast nur ein Thema. Besonders CSU-Chef Seehofer umschmeichelt den Zurückgetretenen. Warum eigentlich, fragen sich die Tageszeitungen.
Die Westdeutsche Zeitung urteilt: "Selbst wenn alle Guttenberg-Witze längst erzählt sind, deklinierten seine Gegner alle Varianten des Themas genüsslich durch. Was verständlich und logisch ist. Seehofer hingegen gab es die willkommene Gelegenheit, zumindest verbal an der Rückkehr des ehemaligen Verteidigungsministers in die Politik zu arbeiten. Alles andere hätte ihm die CSU-Basis auch arg verübelt. Guttenberg saß zumindest virtuell überall mit am Biertisch."

Seehofer schaut in den Humpen.
(Foto: dapd)
Die Badischen Neuesten Nachrichten schreiben: "Guttenberg ist nicht da, aber allgegenwärtig. Das sollte nicht nur der CSU zu denken geben, die hinter der Jubel-Kulisse offenbart, dass sie einem vorerst ausgeträumten Traum nachhängt. In Wahrheit trifft die Heldenverehrung auch die anderen Parteien, die am Phänomen Guttenberg nicht vorbeikommen, weil dieses das Volk seit Wochen mehr beschäftigt als alle Realpolitik. Den Deutschen ist nach einem Helden, selbst wenn dessen Achilles-Ferse offenbar geworden ist."
Die Badische Zeitung ist hart in der Sache: "Im Ringen um die Lufthoheit über den Stammtischen gab es für den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer einiges aufzuarbeiten. Karl-Theodor zu Guttenberg als Wildschütz Jennerwein, den feindliche Hetzjagden, nicht Rechtsverstöße und schlechtes Krisenmanagement zur Strecke gebracht haben. Das ist der Stoff, aus dem sich Legenden stricken lassen. Klar soll der wiederkommen. Möglichst sofort. Und Ausländer sollen gefälligst Deutsch lernen, wenn sie hier leben wollen. Dieser Grundsatz muss in die bayerische Verfassung. Wenn es zur Zwei-Drittel-Mehrheit nicht reicht, dann eben über Volksentscheid. Prost."
Die Neue Osnabrücker Zeitung meint: "Was ihn im Fall Guttenberg störte, schert einen CSU-Chef Horst Seehofer jetzt wenig. Der Reaktivierte muss den Phantomschmerz lindern, der nach dem Verlust des Hoffnungsträgers die Weiß-Blauen quält. Drauf hauen und wieder mal gegen Islamisierung und Zuwanderung Stimmung machen - das ist die Schocktherapie, die den verwirrten Bayern auf die Beine helfen soll. Die schlimmen Nebenwirkungen sind offenbar egal. Was auf dem Viehmarkt in Vilshofen als großer Diskurs zu Beginn der Fastenzeit begann, ist zum hohlen Ritual verkommen. Merkt denn keiner, dass viele Sprüche, aber wenig Substanz genau das befördern, vor dem alle warnen: die Politikverdrossenheit?"
Die Nürnberger Nachrichten schreiben: "Eine 'Frischzellenkur für die konservativen Seelen' hatte CSU-Generalsekretär Dobrindt angekündigt. Stattdessen kramte sein Parteichef wieder mal das uralte Unions-Hausmittelchen 'Deutsche Leitkultur' hervor - ein Placebo, allerdings verschärft mit einer gehörigen Dosis Sarrazin. Und Seehofer lieferte mit der geisterhaften Beschwörung von 'KT' zugleich einen peinlichen Offenbarungseid. Denn wer derart inbrünstig die Rückkehr einer durch eigene Fehler gestürzten 'Lichtgestalt' herbeifleht, der zeigt damit unfreiwillig ja auch dies: dass ihm selbst jegliche Strahlkraft, jegliche Idee für den Freistaat fehlt. Eine seltsame Frischzellenkur: Der CSU-Chef erhält Beifall vor allem, wenn er von einem anderen spricht. Auch eine Art Täuschungsmanöver, und zwar ein sehr durchschaubares."
Und die Märkische Allgemeine resümiert: "Seit den Zeiten von Franz Josef Strauß ist der Aschermittwoch für die CSU ein ganz besonderer Tag. Die gestrige Veranstaltung stand ganz im Zeichen des Rücktritts von Verteidigungsminister Guttenberg. CSU-Chef Seehofer lobte den abgestürzten Hoffnungsträger in den höchsten Tönen. Das fiel ihm leicht, ist doch seine Machtstellung in der CSU jetzt wieder unangefochten. Bis die ersten Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg bekannt wurden, galt Seehofer als Parteivorsitzender auf Abruf. Doch nun muss sich die CSU darauf einstellen, ihn auf unabsehbare Zeit an der Spitze zu haben. Er ist kein schlechter Redner, was er auch gestern bewies. Doch mit welcher Botschaft er die CSU wieder zur absoluten Mehrheit in Bayern führen will, ist unklar. Da hätte Guttenberg wohl bessere Chancen gehabt."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Thomas E. Schmitt