Analyse Seehofer will Guttenberg zurück
09.03.2011, 14:30 Uhr
Nein zum Islam: Seehofer beschwört in Passau die christliche Leitkultur.
(Foto: dpa)
Beim Politischen Aschermittwoch der CSU geht es eigentlich nur um eins: Das Comeback Guttenbergs. "Wir wollen, dass du wieder zurückkommst", ruft Seehofer dem "lieben Karl-Theodor" zu und verspricht, alles für seine Rückkehr zu tun.
Um kurz nach zwölf kommt Horst Seehofer zum wichtigsten Punkt seine Rede. "Die CSU, die ganze Republik steht zu Karl-Theodor zu Guttenberg", ruft der Parteichef den tausenden Anhängern in der Passauer Dreiländerhalle zu. Tosender Applaus brandet auf, rhythmisches Klatschen, Jubel, der kein Ende nehmen will. Guttenberg habe sich für seine Fehler entschuldigt, eine solche Haltung habe Respekt verdient, sagt Seehofer und wendet sich dann direkt an den abgestürzten Hoffnungsträger, den "lieben Karl-Theodor", der sicher vor dem Fernsehschirm sitze. "Deshalb ruf ich Dir im Namen aller Schwarzen zu: Du bist einer von uns, du bleibst einer von uns, und wir wollen, dass du wieder zurückkommst in die deutsche Politik." Die CSU-Anhänger im Saal toben, stehender Applaus, Guttenberg-Transparente werden geschwenkt. Auf den Jubel-Wogen reitend verspricht Seehofer, "alles" für eine Rückkehr Guttenbergs zu tun.
Es ist das Bekenntnis, das die CSU hören wollte und das von Seehofer erwartet wurde. Es ist die erste Rede des bayerischen Ministerpräsidenten seit dem Rücktritt des Verteidigungsministers, und dann gleich die vom Politischen Aschermittwoch. Einem Höhepunkt der politischen Schlammschlacht, des Draufhauens auf den Gegner und zugleich Streicheln der eigenen Seele. Und seit dem Rücktritt von Guttenberg hat die verletzte Seele der CSU besonders viel Liebe nötig.
"Lass uns nicht im Stich"

Alles beherrschender Wunsch der CSU: "KT" soll zurückommen.
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Schon am Morgen hatte Seehofer klargemacht, dass er für eine Rückkehr von "KT", wie sie ihn in der CSU nennen, "unterstützen und anstreben" wird. Insofern kommt das Bekenntnis in seiner Rede nicht überraschend. Seehofer macht aber noch einmal in aller Deutlichkeit klar, dass Guttenbergs Fehler der Vergangenheit angehören und es ist zugleich eine Kampfansage an die politischen Gegner: "Aus den Parteien der Steinewerfer, der RAF-Sympathisanten und der Stasi-Kommunisten lassen wir uns nicht Anstand und Moral vorhalten", schimpft er in Richtung der Grünen und der Linkspartei.
Seehofer gibt in Passau den Ritter der Schwarzen, der Bürgerlichen, der Christen, der Bayern. Und in dieser Rolle gefällt er sich sichtlich. Ebenso, wie er seit Guttenbergs Rücktritt seine unumstrittene Führungsposition in der CSU genießt. Als er sich um kurz nach zehn zum bayerischen Defiliermarsch seinen Weg durch die Menschmassen in der Dreiländerhalle bahnt, genießt er das Bad in der Menge. Seehofer lässt sich Zeit, setzt sein typisches Grinsen auf, von dem man nie genau weiß, ob es noch ironisch gemeint ist. Seehofer greift nach allen Händen, zieht vorbei an Plakaten mit Sprüchen wie "KTG - lass uns nicht im Stich" oder "50 plus x - Auf geht’s – auch ohne Doktortitel". Erst nach einer Viertelstunde erreicht er die Bühne, wo er sich mit der Führungsspitze der Partei und seinem Vorvorgänger Edmund Stoiber feiern lässt. Die Botschaft ist klar: Wir in Bayern stehen zusammen, die "politische Familie" CSU sowieso, gegen die Linken da draußen im Lande. Nach dem Rücktritt ihres Hoffnungsträgers ziehen sich Seehofer und seine Partei in die politischen Schützengräben zurück.
Volksabstimmung über Integration
Die erste Verteidigungslinie hatte der neue Innenminister bereits vorgegeben und Seehofer zeigt, dass er sie mit aller Entschlossenheit verteidigen will: Die deutsche Leitkultur. Hans-Peter Friedrich hat die Islam-Debatte mit Amtsantritt neu entfacht und bekräftigt, dass er nicht zu Deutschland gehöre. Da ist er ganz bei Seehofer, der genauso schon in der Sarrazin-Debatte dem Bundespräsidenten widersprochen hatte und nun wiederholt: Das deutsche Leitbild sei die christliche Prägung mit jüdischen Wurzeln, verbunden mit der Aufklärung. Oder, um es mit Seehofers Worten zu sagen: "Es gibt kein anderes Bundesland, wo man die Geisteshaltung mit Begrüßungsformel zum Ausdruck bringt: Grüß Gott!"
"Wir lassen uns diese Leitkultur durch niemanden ausreden", ruft Seehofer. "Wir verraten unsere Gründerväter nicht." Und dann kündigt der CSU-Chef an, Integration und das Motto "Fördern und Fordern" in die bayerische Verfassung zu schreiben. Seehofer will sogar eine Volksabstimmung darüber durchführen lassen. Es ist wohl das, was er vor seiner Rede als "etwas Großes" angekündigt hat, das zu erwarten sei. Der Applaus seiner Anhänger ist allerdings nur mäßig.

"Der größte Stammtisch der Welt": CSU-Chef Seehofer fühlt sich beim Aschermittwoch zuhause.
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Doch wo der bayerische Ministerpräsident schon dabei ist, auch zwei andere Punkte will Seehofer in die Landesverfassung mit aufnehmen. Zum einen die Förderung des ländlichen Raums, zum anderen die Verpflichtung, keine Schulden zu machen. So viel Konkretes ist man von einer Aschermittwochs-Rede der CSU sonst nicht gewohnt.
"Die Mutti" und "die Sozen"
Doch enttäuscht Seehofer auch nicht die Erwartungen an eine politische Abrechnung mit dem Gegner. Die Rüstung hat er ja bereits angelegt. Der CSU-Chef liefert kleine Spitzen gegen den "Gu-ido", wie er FDP-Chef Westerwelle nennt. Auch "die Mutti" Angela Merkel wird erwähnt, allerdings meist um zu zeigen, wie sich der starke Bayer in Berlin gegen sie durchgesetzt habe. Gelästert wird über die "Sozen", besonders in Bayern, deren Landesvorsitzender Florian Pronold als putziger "Flo" abgetan wird. In Seehofers Augen sind alle anderen Parteien sowieso von ihren Zentralen in Berlin gesteuert. Die Formel "CSU ist gleich Bayern" wird wieder beschwört.
Richtig Holzen tut Seehofer nur, wenn er auf die Grünen oder die Linkspartei zu sprechen kommt. "Wenn die beiden in den Spiegel schauen, ist das nicht Eitelkeit, sondern Tapferkeit", lästert er etwa über die Fraktionschef der Grünen, Renate Künast und Jürgen Trittin. "Wer Grün wählt bekommt Rot", sagt er mit Blick auf Hamburg. Und die Linken sind bei Seehofer nur die "Stasi-Kommunisten", die lieber schweigen sollten.
Seehofer kämpft rund 90 Minuten um die Hoheit über den "größten Stammtisch der Welt", wie er Passau nennt. Am Ende hat er mit alt bewährten Rezepten geliefert, was von ihm als CSU-Chef erwartet wurde. Mit der Ankündigung eines Volksentscheids gelang ihm sogar eine kleine Überraschung. Allerdings kann das nicht hinwegtäuschen über die Erwartungen, die eigentlich vorherrschen in der CSU: Das nämlich ihr "KT" zurückkehrt und der Partei die "50 Prozent plus" zurückbringen wird. Dafür darf Seehofer auch Vorsitzender bleiben.
Quelle: ntv.de