Pressestimmen

Einigung bei Endlager-Suche Prüfung für nächste Generation

Signalisierte immerhin mehr Offenheit bei der Standortfrage als seine Vorgänger: Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Mitte).

Signalisierte immerhin mehr Offenheit bei der Standortfrage als seine Vorgänger: Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Mitte).

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Einigung auf die Suche nach einem Atommüll-Endlager wird als Meilenstein bei der Lösung eines nationalen Dauerproblems verkauft. Doch trotz einiger Zugeständnisse, was die neue Offenheit bei der Suche eines geeigneten Standortes angeht, teilen viele deutsche Tageszeitungen diese Auffassung nicht. Es sei hingegen wie so oft: Das Problem wird an die nächste Generation gereicht.

Castor-Demo in Gorleben. In Zukunft könnten sich derlei Proteste an ganz anderen Orten abspielen.

Castor-Demo in Gorleben. In Zukunft könnten sich derlei Proteste an ganz anderen Orten abspielen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Süddeutsche Zeitung sieht in der Suche eines geeigneten Endlagers in räumlicher sowie in zeitlicher Hinsicht eine Reifeprüfung für die bundesdeutsche Gesellschaft: "In räumlicher, weil sie das Sankt-Florians-Prinzip überwinden muss; irgendeinen Ort muss es in ferner Zukunft treffen. In zeitlicher, weil das breite Parteienbündnis, das nun hinter dem Beginn der neuen Suche steht, im Verlaufe derselben Dutzende Wahlkämpfe und Regierungskoalitionen überdauern muss." Die Siege in Wyhl, Wackersdorf und Kalkar und der Ausstieg aus der Atomkraft - sie alle seien nichts gegen dieses Unterfangen, urteilt die Zeitung.

"Die weitaus größte Gefahr besteht darin, dass der gemeinsame Wille zur Lösung eines Jahrhundertproblems schon bald wieder dem egoistischen Vorteilsdenken weicht", meint hingegen die Frankfurter Rundschau. Denn niemand wolle den strahlenden Müll in seiner Nachbarschaft haben. "Kein Bürger, kein Landrat und auch kein Ministerpräsident. Alle aber haben den Strom konsumiert, bei dessen Herstellung die Brennstäbe abgebrannt wurden. Das Dilemma ist nur zu lösen, indem sich alle Beteiligten auf ein transparentes Verfahren zur Entsorgung verbindlich verpflichten", findet das Blatt aus Frankfurt.

Die Stuttgarter Zeitung sieht in dem neuen Kompromiss vor allem eine Bewährungsprobe für die Grün-Rote Landesregierung Baden-Württembergs. Diese müsse nun bei einem wahrhaft unpopulären Thema zeigen, wie gut sie sich auf die Politik des Gehörtwerdens versteht: "Sie muss die Ängste und Sorgen der Bürger mit ihrem Bekenntnis zur Verantwortungsethik versöhnen. Für ganz Deutschland ist es gut, wenn die Endlagerfrage im nationalen Konsens gelöst werden kann. Ohne Winfried Kretschmanns Offenheit für einen Endlagerstandort im Südwesten wäre das nicht gelungen." Die Republik habe ihm demnach zu danken, dass er einen Endlagerkonsens ermöglicht hat. Allerdings würden schon die kommenden Monate, bei denen es um eine Zwischenlagerung der ausstehenden Castortransporte geht, zeigen, wie schwer die jetzige sowie auch künftige Landesregierungen an diesem Erfolg zu tragen haben.

"Es ist also doch wieder das altbekannte Taktieren, das Verschieben der Verantwortung, das Drücken vor einer klaren Entscheidung", kommentiert dagegen die Berliner Morgenpost. Man sei ebenso unwillig wie unfähig ein Problem zu lösen, das sich Deutschland mit der Kernenergie einst gemeinsam eingebrockt hat. "Nun soll es einen Neuanfang geben bei der Suche nach dem Atomfriedhof. Doch der von den Spitzenpolitikern am Dienstag beschlossene Fahrplan dorthin verfolgt vorrangig ein anderes Ziel: Zeit gewinnen. Danach soll nach Kommissionssitzungen, geologischen Prüfungen und Einbeziehung der Bevölkerung 2031 entschieden werden, an welchem Standort Deutschlands atomare Müllkippe errichtet wird. Also in 18 Jahren." Zu diesem Zeitpunkt werde keiner aus der Dienstags-Runde noch im Amt sein, womit alles auf eine kommende Generation vertagt worden sei.

Auf die lokalen Auswirkungen des bundesweit geltenden Gesetzes kommen hingegen die Badische Neueste Nachrichten aus Karlsruhe zu sprechen: "Anstelle massiver Proteste im Wendland werden sich Bürger nun an ganz anderen Standorten quer stellen: In Philippsburg etwa. Das Städtchen am Rhein stand viele Jahre entschieden zur Kernenergie, solange jedenfalls, wie sie verlässlich organisiert war, von deutschen Standards geprägt, von Ingenieuren ausgeführt, die an weltweit anerkannten deutschen Instituten ausgebildet waren." Diese Sicherheitsstandards seien nun erodiert. Und das in einer Zeit, in der Deutschland noch eine gute Weile die Lasten einer ungeliebten Stromerzeugung werde tragen müssen und Städte wie Philippsburg als Kulisse für Atomruinen dienten.

Quelle: ntv.de

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