Pressestimmen

Genmais-Verbot "Respekt, Frau Aigner"

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat ein Anbau-Verbot für den umstrittenen gentechnisch veränderten Mais MON 810 des Konzerns Monsanto verhängt.

Die Presse hegt Zweifel am Motiv für diese Entscheidung, begrüßt sie jedoch überwiegend. Einige wenige Stimmen üben Kritik an dem Verbot und sehen den Forschungsstandort Deutschland bedroht.


Die Süddeutsche Zeitung sieht in Aigners Entscheidung ein verantwortungsvolles Handeln. Zwar gibt das Blatt den Gentechnik-Befürworter recht, "wenn sie sagen: Ein 'womöglich' und ein 'vielleicht' sind keine Beweise für die Gefährlichkeit". Entscheidend sei jedoch, meint das Blatt aus München, dass sie kein Beweis für die Ungefährlichkeit seien. Bei dieser Sachlage sei es nebensächlich, wenn auch wahrscheinlich, dass sich Aigner mit ihrer Entscheidung bei den Wahlen ein paar zusätzliche Stimmen für die CSU erhofft.

Auch die Landeszeitung Lüneburg stellt eine Verbindung her zwischen Aigners Entscheidung und den bevorstehenden Wahlen: "Populismus im Vorfeld von Wahlen kann auch segensreich sein. Hauptmotiv von Ilse Aigner, Genmais zu verbieten, dürfte die Angst der CSU-Parteiführung vor einem weiteren Absturz bei den Europawahlen sein." Auch für die Landeszeitung wird dieser Fakt jedoch zur Nebensache: "() das falsche Motiv mindert nicht den Wert der Entscheidung. Das Aussaat-Verbot ist die überfällige politische Antwort auf die ungeklärten Risiken des Genmaises. Entlässt man aber verändertes Erbgut in die Natur, kann es nicht wieder eingefangen werden. Und wozu die Risiken?", fragt sich das Blatt. "Bisher blieb die grüne Gentechnik, die in den USA freie Bahn hat, den Nachweis schuldig, das Welthungerproblem lösen zu können. Tatsächlich kommt sie eher wie ein Vehikel daher, Bauern mittels patentierter Pflanzen und nur einmalig Früchte tragenden Saatgutes zu Bütteln der Agrar-Konzerne zu machen. Das Genmais-Verbot bremst die Vollendung der Industrialisierung der Landwirtschaft."

"Respekt, Frau Aigner", schreibt die Frankfurter Rundschau, für die die Entscheidung, "den einzigen Gen-Mais derzeit in der EU vom Markt zu nehmen und damit ganz Deutschland zur gentechnikfreien Zone zu erklären", von Mut zeugt. Das Blatt positioniert sich als Gen-Mais-Gegner, der risikoreich für die Umwelt und in der Landwirtschaft völlig überflüssig sei und der gentechnikfreien Lebensmittelherstellung unsinnige Kosten aufbürde. "Das alles ist hinlänglich dargelegt worden. Dass dies in den Entscheidungsgremien der Republik zu einem Verbot führt, ist endlich mal konsequent."

"Die Genmais-Befürworter können nicht belegen, dass ihre Pflanzen wirklich keine langfristigen Schäden verursachen. Genau dafür aber gibt es begründete Befürchtungen", schreiben die Nürnberger Nachrichten und halten das Nein nach "Abwägung von Chancen und Risiken" und dem aktuellem Stand der Dinge für richtig. "Zumal es auch der zusehends mächtigeren Agrar-Industrie Grenzen weist: Konzerne wie Monsanto versuchen, immer mehr Landwirte von sich abhängig zu machen. Sie peilen umfassende Monopole an, mit aberwitzigen Patenten auf Pflanzen und Tiere." Sie geben ein hehres Ziel vor - den Kampf gegen den Hunger auf der Welt -, bleiben den Nachweis dafür jedoch schuldig. Stattdessen zeigten sie vor allem "eine ziemlich maßlose Gier und einen heiklen, ausbeuterischen Umgang mit der Schöpfung".

Straubinger Tagblatt und Landshuter Zeitung betrachten das Nein unter einem anderen Gesichtspunkt und üben Kritik an Aigners Entscheidung: "Wissenschaftliche Logik zählt im Streit um die Gentechnik nicht mehr. Sie ist beherrscht von Technikfeindlichkeit, romantischen Naturbildern und irrationalen Ängsten. Die grünen Aktivisten haben die Lufthoheit über den Äckern erobert. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden negiert, und viele Politiker glauben, sich diesem Druck beugen zu müssen."

"Monatelang tobte () ein Glaubenskrieg. Das Symbol war eine Maispflanze, deren Name allein verdächtig und gefährlich klingt: Mon 810", schreibt der Fränkische Tag. Der Grund für das Nein Aigners sei, dass der CSU "das Erklären der Vorteile, das Einordnen der Ängste und Bewerten der Chancen" zu mühsam sei, weil es Wähler koste. "Mit dem Anbauverbot verlieren wir wieder einmal mehr den Forschungsstandort. Ausgerechnet eine Partei, die an die Kernenergie glaubt, verweigert sich jetzt. Was Umweltminister Söder prompt als mutige Entscheidung lobte, ist letztlich eine feige, weil sie Fortschritt mit Gefahr gleichsetzt."

Zusammengestellt von Nadin Härtwig

Quelle: ntv.de

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