Ägypten im Wirrwarr "Revolution im Parlament beenden"
09.07.2013, 20:09 Uhr
Ägyptens Übergangspräsident legt einen Fahrplan für die Machtübergabe vor. Dennoch kommt das Land nicht zur Ruhe. Die gestürzten Islamisten setzen auf völlige Verweigerung. Das mächtige Militär zeigt ihnen dafür eine gelbe Karte. Die deutschen Tageszeitungen nehmen sich des Themas an.
Das Handelsblatt meint: "Was der Westen, zumal Amerika tun sollte? General Sisi beim Wort nehmen, ihm nach Kräften helfen, die Wirtschaft zu retten, dabei Demokratieverstöße mit mehr Verve geißeln, als es die westlichen Regierungen bei Mursi getan haben. Statt den Coup zu verdammen, heißt es, in den sauren Apfel beißen und hoffen, dass er nicht so faul ist wie der vorherige. Das Regime der Muslimbrüder war ein schleichender Putsch. Absurd wäre die Hoffnung nicht. Als über dem Tahrir-Platz Militärhubschrauber mit riesigen ägyptischen Flaggen im Schlepptau auftauchten, jubelte die Menge: 'Die Armee und das Volk sind eine Hand.'"
Die Rhein-Zeitung ist besorgt, wenn sie schreibt: "Die nun angekündigten Wahlen werden deutlich machen, inwieweit es der salafistischen Partei El Nur mit ihrem Machtpoker auch gelungen sein wird, einst gemäßigte Muslimbrüder auf ihre Seite zu ziehen. Sollten sie künftig das religiöse Spektrum der Islamisten dominieren und damit die gemäßigten islamistischen Muslimbrüder ablösen, wäre dies die eigentliche Tragödie dieses Putsches."
Die Süddeutsche Zeitung äußert sich wie folgt: "Richtungsweisend für ein modernes Ägypten sind allerdings weder die Salafisten noch die Liberalen, auch nicht die Generäle der Armee. Die große Chance für die Zukunft des Landes verkörpern die Jugendaktivisten. Erst Hosni Mubarak, dann Mohammed Mursi - schon zum zweiten Mal haben sie den Sturz eines Staatschefs auf den Weg gebracht. Doch die Aktivisten sollten ihren Rebellen-Nimbus endlich in den Dienst der praktischen Politik stellen, sie sollten Parteien gründen und Schluss machen mit dem vormodernen Politikverständnis der etablierten Altvorderen. Erfolgreiche Revolutionen werden auf der Straße gemacht. Aber sie werden im Parlament vollendet."
Die Allgemeine Zeitung aus Mainz meint: "Die Geschwindigkeit, mit der Ägyptens Übergangspräsident Adli Mansur nach dem Sturz Mohammed Mursis das Land mittels Neuwahlen wieder auf Kurs bringen will, soll verhindern, dass die Muslimbruderschaft das entstandene Vakuum für sich nutzt. Ob ihm das gelingen wird, hängt sehr davon ab, ob die, die mit ihrem Protest das Militär ermuntert hatten, den gewählten Präsidenten aus seinem Amt zu jagen, endlich in der Lage sind, sich politisch zu organisieren. Schaffen sie das nicht, werden sie zum zweiten Mal um die Früchte ihrer Revolution gebracht. Denn ein Land muss regiert werden und soll es eine Demokratie sein, braucht es Parteien, die um die Gunst der Wähler wetteifern, und zwar mit Programmen, die in die Zukunft weisen. Davon ist außerhalb der Muslimbruderschaft weit und breit bisher nichts zu sehen. "
Quelle: ntv.de