Pressestimmen

Ein Krachmacher tritt ab "Roland Koch hat sich selbst besiegt"

An Roland Koch scheiden sich die Geister. Für die einen ist er einer der letzten politischen Charakterköpfe und ein Talent, für die anderen ein Provokateur mit vielen Schwächen, der nicht in der Lage ist, auszusöhnen und zu modernisieren. Seine Rücktrittsankündigung wird entsprechend zwiespältig aufgenommen.

Die Presse wundert sich nicht: Für seinen Abgang wählte Roland Koch die "brutalstmögliche Variante".

Die Presse wundert sich nicht: Für seinen Abgang wählte Roland Koch die "brutalstmögliche Variante".

(Foto: dpa)

"Koch geht. Das ist kein Grund zur Trauer und kein Schaden für die Demokratie", meint die Braunschweiger Zeitung zur Ankündigung des hessischen Ministerpräsidenten, seine Ämter niederzulegen. "Demokratie bedeutet Konflikt, gewiss, aber stets auch die Suche nach Konsens. Koch hat die beharrliche Suche nach Versöhnung offenbar für eine Schwäche gehalten, obwohl er selbst in dieser Hinsicht ein Schwächling ist, der die rasche verbale Brandstiftung gnadenlos einsetzt, wenn es gilt, den jeweiligen Gegner herabzusetzen, auszugrenzen, in die Ecke der Unzuverlässigkeit und der Gefährlichkeit zu drängen. Roland Koch ist intelligent genug zu wissen, dass die Bundeskanzlerin ihn in Berlin nicht will. Aber er will eben auch nicht. Mehr muss man nicht hineinlegen."

Für die Frankfurter Rundschau bleibt Kochs Erbe überschaubar, "weil er sich selbst aus den historischen Strukturen der Dregger-CDU nie zu befreien vermochte. Er widerstand konsequent jeder Versuchung, seine Partei zu modernisieren ­- in der Umwelt- oder Schulpolitik etwa. Doch bei aller Überhöhung, die ihm jetzt zuteil wird: Koch vermochte es keineswegs, den konservativen Flügel der CDU hinter sich zu versammeln. Dazu reichte seine Fähigkeit zur Integration, zum Zusammenführen, nicht aus. Roland Koch fehlte in manch entscheidendem Moment seines politischen Lebens der Skrupel. Er hat deshalb mit der ihm eigenen Professionalität geschafft, was seinen politischen Gegnern nie gelungen wäre. Roland Koch hat sich selbst besiegt."

Die Heilbronner Stimme mutmaßt über die Grund für Kochs Rückzug: "Roland Koch hat ­- wie immer ­- die brutalstmögliche Variante gewählt, um seinen Ausstieg aus der Politik zu zelebrieren. Hinter den Kulissen war alles vorbereitet, die Kanzlerin angeblich informiert ­- nur die Rest-Union wusste von gar nichts. Angela Merkel ereilte das Abschiedsfeuerwerk ihres CDU-Stellvertreters im fernen Abu Dhabi. Wer wissen will, wie gut die beiden harmonierten, muss nur auf die Entfernung zwischen Wiesbaden und dem Wüstenland achten. So weit lagen der Hesse und seine Vorsitzende in letzter Zeit bei nahezu allen Themen auseinander. Das könnte eine der besten Erklärungen für den Rückzug sein."

Was bleibt, ist "das Bild eines widerborstigen politischen Leittiers, das mehr als einmal lustvoll gegen den Mainstream und insbesondere gegen Kanzlerin Angela Merkel agitierte", kommentiert die Eßlinger Zeitung. "Aber er ist auch ein unvollendetes Talent, weil der erhoffte, große Sprung auf die Berliner Bühne misslang. An Koch scheiden sich die Geister. Er hat große Fans und fanatische Gegner: In den Zeiten der weichgespülten Politiker ohne Ecken und Kanten allemal eine positive Bewertung."

"Koch hatte einen ausgeprägten Machtinstinkt. Der Machterhalt war ihm manchen Winkelzug und manche Unsauberkeit wert - in der hessischen CDU-Spendenaffäre beispielsweise", erinnert der Reutlinger General-Anzeiger. "Hinzu kam seine Art Themen anzusprechen, an denen sich andere nicht die Finger verbrennen wollten. Er war kein stromlinienförmiger Ja-Sager. Er polarisierte und pfiff aufs Echo. Angela Merkel konnte ihn bis zuletzt von Berlin forthalten: Er galt als ihr bester Mann - wenn er in Hessen regierte."

"Über Roland Koch kann man vieles sagen, auch viel Schlechtes. Er hat gelogen, gehetzt und genervt", schreibt die Abendzeitung. Doch das ist für das Blatt aus München nur die eine Seite des Roland Koch: "Aber er hat auch gestaltet, geschoben ­- und er ist gestanden, wenn es darauf ankam." Die Gründe für seinen Rückzug sucht die Zeitung in Berlin: "Wer es nicht schafft, Talente  wie Friedrich Merz oder Roland Koch ganz oben einzubinden, der schwächt sich letztlich selbst. Als nächstes wird sich wohl Schäuble verabschieden: Dann wird es richtig einsam im Berlin der Angela Merkel."

Das Badische Tagblatt bedauert Kochs Entscheidung: "Man muss nicht alle Vorschläge Kochs als tauglich oder sinnvoll einstufen, doch seine Provokationen waren oftmals auch schlichtweg gut beherrschtes politisches Handwerk. Denn wer eine Entscheidung vorantreiben will, der muss ein Thema zunächst einmal zu einem öffentlichen Thema machen, um Druck zu erzeugen. Das beherrschte Koch wie nur wenige andere. (...) Koch gehört zu den Charakterköpfen in der deutschen Politik. Und von denen gibt es immer weniger."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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