Google Street View Schnöder Beton ist keine Privatsphäre
10.08.2010, 20:29 UhrWährend manche Medien und n-tv.de die Bereicherung durch Google Street View begrüßen und die Angst vor Einbrechern zerschlagen, führen andere das Mobilisierungspotential für (potentielle) Verbrecher an, um ihre Skepsis gegenüber dem neuen Programm zum Ausdruck zu bringen.
Die Lübecker Nachrichten befinden – "bei aller berechtigten Kritik am Vorgehen von Google" –, dass Street View "eine reiche Informationsquelle von faszinierender Qualität" sei. Wohnungssuchende und Urlaubshungrige können sich über die Umgebung und Lage vorab im Internet informieren – "und das auch noch kostenlos". Das Blatt betrachtet das neue Angebot von Google daher als "eine Weiterentwicklung von Suchdiensten, Routenplanern und Fotogalerien im Internet". Skepsis sei zwar weiterhin ratsam. "Doch das Unternehmen scheint aus Fehlern gelernt zu haben und ist Forderungen der Datenschützer weit entgegengekommen. Wenn Widersprüche jetzt noch unbefristet möglich würden, könnte Street View ruhig starten."
Die Dithmarscher Landeszeitung konstatiert, dass vielen Internetnutzern die Privatsphäre reichlich egal sei, sie verbreiten ihre persönlichen Vorlieben und Familienfotos noch und nöcher in sozialen Netzwerken. Das Blatt wirft daher die Frage auf: "Wenn Facebook & Co. das recht ist, sollte Google das Fotografieren und Online-Veröffentlichen von ohnehin einsehbaren Straßenzügen nicht billig sein?" Die Antwort laute jedoch nein. "Denn der Daten-Striptease des Einzelnen im Internet ist immer noch seine eigene Sache. Bei Google Street View liegt der Fall anders", kritisiert das Blatt. "Das Unbehagen ist daher berechtigt und wird auch durch die vierwöchige Einspruchsfrist nicht geheilt."
Weniger Unbehagen, mehr die von Street View möglich gemachten kriminellen Handlungen führt die Rhein-Neckar-Zeitung gegen das neue Programm ins Feld: "Google kennt seine deutschen Kunden womöglich nicht gut genug. Der Konzern rechnet mit eher wenig Einsprüchen von Häuslebesitzern und Mietern. Da dürften sich die Amerikaner irren. Street View hat ein hohes Mobilisierungspotenzial; vor allem mit dem Argument, dass sich mit Hilfe des Google-Dienstes Verbrecher orientieren können, was wo zu holen, wer womöglich wo zu entführen sein könnte."
Auch die Ludwigshafener Kreiszeitung schätzt das Fotografieren von Häusern, das Einscannen von Fronten und das Speichern persönlicher Daten nicht gerade als vertrauensfördernde Maßnahmen ein. "Im Gegenteil, so hat Google die Angst vor einem allumfassenden Datenkraken geschürt. Und dann muss man sich auch nicht wundern, wenn die Politik sich populistisch in Stellung bringt." Doch ein Blick auf die bloßen Fakten von Street View zeigt: "Es wird nur veröffentlicht, was jeder Fußgänger ohnehin sehen kann – vor allem Häuserfronten. Was der schnöde Beton mit Privatsphäre zu tun haben soll, bleibt somit ein Rätsel. Außerdem helfen die Bilder, sich zu orientieren und zu informieren. Über andere Städte, über den nächsten Urlaubsort, über Routen. Die Welt wird also ein Stück offener. Wer das nicht will, kann ja widersprechen."
Das Coburger Tagblatt wertet Google Street View nicht, sondern erinnert: "Jenseits aller Technikfaszination macht sie uns deutlich, dass wir einen öffentlichen Raum betreten, sobald die Haustür hinter uns ins Schloss fällt. Das, was wir dort tun, wird beobachtet und kommentiert werden. Zweifellos ist der Schutz der persönlichen Daten wichtig, er fängt aber nicht erst im Internet an sondern bei jedem einzelnen."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger