Google ist gar nicht so böse Ich freue mich auf Street View
10.08.2010, 16:49 Uhr
(Foto: REUTERS)
Google hat angekündigt, bis Ende des Jahres Street View auch in Deutschland zu starten. Und das ist ein Grund zur Freude. Die Angst vor dem Foto-Kartendienst beruht größtenteils auf Unwissenheit und ist weitgehend unbegründet.
Ja, ich freue mich, dass Street View endlich auch in Deutschland startet. Ich freue mich darauf, virtuell durch deutsche Städte, Dörfer und Landschaften zu fahren. Ich freue mich darauf, mit echten Straßenbildern zu navigieren.
Mache ich mir Sorgen? Nein, ich persönlich nicht. Aber ich kann die Sorgen anderer Menschen verstehen, die um ihre Privatsphäre oder gar Sicherheit fürchten. Für sie muss Google ohne Wenn und Aber garantieren, dass ihre Häuser oder Grundstücke auf Antrag in Street View nicht zu erkennen sind.
Aber machen sich diese Menschen auch zu Recht Sorgen? Oder wurden sie von Politikern verunsichert, die sich gerne damit schmücken, Verbraucher- und Datenschutz über jedes kommerzielle Interesse zu stellen? Und erweckt nicht der eine oder andere Datenschützer den Eindruck, sich gerne im Fernsehen zu sehen?
Nur dumme Einbrecher warten auf Street View
Natürlich kann Street View auch von Kriminellen genutzt werden. Aber das gilt auch für Smartphones, PCs, Kameras und viele andere Techniken. Soll man sie deshalb verbieten? Außerdem kann man schon jetzt mit Google Earth sehr viel herausfinden und erkennen. Vermutlich ist es aber für Kriminelle bei weitem nicht so interessant, mit Street View ein lohnendes Ziel auszuspähen, wie von Angstmachern behauptet. Haben Sie schon mal einen Ort virtuell durchfahren? Das dauert. Und wenn Gauner nicht schon sowieso wissen, wo es etwas zu holen gibt, wäre es ein sehr mühsames Geschäft, einen dicken Fisch aus Zufall zu entdecken. Zur Vorbereitung eines Einbruchs taugen die Momentaufnahmen von Google schon gar nicht – da greifen Profis sicher zu anderen (digitalen) Mitteln.
Ebenso blauäugig ist die Annahme, Arbeitgeber könnten erst mit Street View feststellen, wie das soziale Umfeld eines potentiellen Mitarbeiters aussieht.
Es ist völlig klar, dass Google Geld verdienen möchte und keine wohltätige Internet-Organisation ist. Und wir wissen auch, dass Google Daten sammelt, um sie gewinnbringend zu verwerten. Aber das ist an sich nicht verwerflich. Zumal Google weniger personenbezogene Daten sammelt, als die allgegenwärtigen Kundenkarten.
Aufgebauschte WLAN-Panne
Aber halt, ha, ha! Wie war das mit den gespeicherten privaten WLAN-Daten? Stimmt, da hat Google wirklich einen kapitalen Daten-Bock geschossen. Dafür steht das Unternehmen zu Recht am Pranger. Vor allem deshalb, weil es zuvor über die WLAN-Registrierung nicht informiert hat. Die ist nämlich an sich nichts Böses. Besitzer von Android-Smartphones wissen vermutlich, dass ihr Telefon die Position auch anhand des WiFi-Netzes feststellen kann, wenn GPS nicht zur Verfügung steht. Je mehr erfasste WLAN-Sender, desto genauer funktioniert die Ortung. Persönliche Daten braucht Google dafür aber nicht, das ist unentschuldbar. Allerdings haben britische Datenschützer kürzlich festgestellt, dass die gesammelten Daten unbedenklich seien und niemand durch die Sammlung geschädigt worden sei. Immerhin.
Ein Riesen-Aufreger waren auch Street-View-Bilder, auf denen Menschen – teilweise in peinlichen Situationen – erkennbar waren. Bedenkt man aber, wie viele Bilder für den Dienst weltweit bereits aufgenommen und veröffentlicht wurden, erscheint die Zahl der bekannt gewordenen Pannen doch äußerst gering zu sein.
Nüchtern betrachtet ist Google Street View ein neuer Dienst, der konsequent umsetzt, was derzeit technisch möglich ist und was die große Mehrheit der Menschen auch will. Man könnte es auch zeitgemäße Kartografie nennen. Macht es nicht Google, dann eben Microsoft. Ach ja, das ist vielleicht vielen nicht bekannt: Auch Microsoft betreibt eine Flotte von Kameraautos.
Informieren statt blockieren
Forderungen nach einem Verbot, Straßennutzungsgebühren für Kameraautos oder einem "Google-Gesetz" sind unsinnig. Blindes Vertrauen ist ebenso falsch. Der Staat muss Google, Microsoft und anderen Internet-Unternehmen schon genau auf die Finger schauen und kontrollieren, welche Daten gesammelt werden. Politiker und Datenschützer sollten aber vor allem informieren und beraten, statt publikumswirksam anzuprangern und Blockaden zu fordern. Dann sollten auch die vier Wochen Widerspruchsfrist, die Google Hausbewohnern einräumt, ausreichend sein.
Quelle: ntv.de