Schröders Kita-Pläne "Steuerzahler trägt Folgekosten"
30.05.2012, 20:30 Uhr
(Foto: dpa)
In vielen Kommunen suchen Eltern vergebens nach einem Betreuungsplatz für ihr Kleinkind. Ab 1. August 2013 gibt es einen Rechtsanspruch. Doch noch fehlen bis zu 160 000 Plätze. Ministerin Schröder agiert mit einem Zehn-Punkte-Plan. "Unter dem nun vorhandenen Zeitdruck werden sich wieder einmal die faulen Kompromisse durchsetzen", schreibt Solveig Bach bei n-tv.de. Und was sagen die Tageszeitungen dazu?
Die Landeszeitung aus Lüneburg meint: "Die Familienministerin hätte ihrem Zehn-Punkte-Plan noch zwei weitere hinzufügen müssen: Versäumnis und Verzweiflung. Denn der Termin für den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz steht schon lange fest. Doch schon damals war allen Beteiligten klar, dass es nicht ausreicht, wenn der Bund mal eben vier Milliarden Euro verteilt. Viele Kommunen waren und sind so klamm, dass sie sich die laufenden Kosten einer Kindertagesstätte schlicht nicht leisten können. Selbst wenn - wie von Kristina Schröder apostrophiert – '2013 zum Jahr des Kita-Ausbaus' wird, kommt der vermeintliche Endspurt für viele Kommunen und Eltern zu spät. Es ist illusorisch, die Lücke von 160.000 Kita-Plätzen in einem Jahr füllen zu können."
Der Mannheimer Morgen sieht das ähnlich: "Dass bis zum August 2013 tatsächlich noch genügend neue Kita-Plätze geschaffen werden, ist aus heutiger Sicht höchst unwahrscheinlich. Mitten im Bundestagswahlkampf wird die Opposition diese Steilvorlage daher dankend aufnehmen und das Thema nach Belieben ausschlachten."

Die Kieler Nachrichten schreiben: "Das Hauptproblem bleibt der Personalmangel. Schröders Werbekampagnen und Qualifizierung packen nicht die beiden Hauptursachen an: 37 Prozent der Arbeitsplätze sind Teilzeitstellen. Von 876 Euro netto kann aber kaum jemand leben. Hinzu kommt die Arbeitssituation in Kitas: Eine Erzieherin ist de facto meist allein mit 20 bis 25 Kindern, die sie bitteschön individuell fördern soll. Die EU empfiehlt acht Kinder pro Erzieherin. Kein Wunder, dass in Deutschland immer öfter Erzieher in andere Jobs abwandern. Kristina Schröder wird sich mehr einfallen lassen müssen."
Das Mindener Tageblatt bemängelt: "Der Zehn-Punkte-Plan wirkt dann doch ein wenig gehetzt: Familienministerin Kristina Schröders 'Jahr des Kita-Ausbaus' erweckt den Anschein, als käme der Rechtsanspruch auch für die Kleinen irgendwie überraschend - dabei ist der Termin seit dreieinhalb Jahren festgeschrieben. Die Sammlung von Billigkrediten, Lohnzuschüssen und sonstigen Förderungen ist die allerletzte Chance für die Ministerin, eine völlig verkorkste Amtszeit doch noch halbwegs zu retten. Doch der Aktionsplan kommt ohnehin bereits zu spät. Die Kinder, die im August 2013 einen Anspruch auf einen Kita-Platz haben, sind zum Teil bereits auf der Welt oder werden innerhalb der kommenden zwei Monate geboren. Die Eltern müssten also schon heute Planungssicherheit haben, ebenso die betroffenen Arbeitgeber.
Die Leipziger Volkszeitung hadert mit dem Gesamtkonzept: "Aufgabe der Bundesregierung ist es nicht, sämtliche Lebensentwürfe zu finanzieren. Aufgabe der Bundesregierung ist es, Eltern die Chance zu geben, ihre Familie zu ernähren. Dies ist für viele Mütter und Väter nur möglich, wenn ihre Kinder außer Haus betreut werden. Das Angebot im Osten darf getrost als vorbildlich betrachtet werden. Hier geht man die Sache pragmatisch, statt ideologisch an - hatte allerdings auch eine bessere Ausgangsbasis. Die Bundesregierung hingegen versucht nun brachial, in 15 Monaten aus dem Boden zu stampfen, was in vielen Jahren versäumt wurde. Im Sinne der Kinder, der vielbeschworenen Bildungsrepublik und einer höheren Frauenerwerbsquote ist dies nur bedingt."
Die Nürnberger Nachrichten urteilen: "Zehn-Punkte-Pläne sind für Politiker eine schöne Sache. Sie klingen so konkret, so umfassend und lückenlos. Nur: Das sind sie so gut wie nie. Und erst recht nicht das Sammelsurium, das Kristina Schröder vorgelegt hat, um beim Kita-Ausbau aufs Tempo zu drücken. Dabei geht es um ihre politische Zukunft: Wenn der Ausbau weiter lahmt und tausende Eltern bald ihre Kommune mangels Betreuungsplätzen auf Schadenersatz verklagen, wird das pünktlich zu den Bundestagswahlen auch auf die Ministerin zurückfallen."
Die Augsburger Allgemeine ist ähnlich streng: "Entschlossenheit sieht anders aus. Das Paket an Maßnahmen, mit dem die Familienministerin den Ausbau der Kinderbetreuung vorantreiben will, würde die Post auch noch als Päckchen befördern, so leicht ist es. Abgesehen von einem kleinen Zuschuss für Tagesmütter und den verbilligten Krediten für Kommunen ist Kristina Schröder nicht allzu viel eingefallen. Für das Versprechen, mehr Erzieher auszubilden, von anderen Ländern zu lernen und auf die Qualität in der Betreuung zu achten, können sich junge Familien, die händeringend einen Krippenplatz suchen, nichts kaufen. Sie werden ihren Rechtsanspruch einklagen - mit teuren Folgekosten für den Steuerzahler."
Quelle: ntv.de