Abschaffung der Wehrpflicht "Tafelsilber wird verhökert"
13.09.2010, 20:23 UhrDie Abschaffung, "Pardon: Aussetzung", der Wehrpflicht stößt auf allgemeine Zustimmung. Bemängelt wird, dass sie "ausschließlich einer Spardebatte entstammt". Lediglich die "taz" meint, "schlecht gelaunte Wehrpflichtige" seien hervorragend geeignet, die Streitkräfte zu kontrollieren.

(Foto: dpa)
"Die Christdemokraten behaupten zwar, die wachsende Wehr-Ungerechtigkeit habe sie zu diesem Schritt veranlasst", schreibt die Berliner Zeitung. "Doch dies ist nur eine Schutzbehauptung, um die ohnehin verunsicherten konservativen Wählerschichten zu trösten. Schließlich sind diese Wähler in den vergangenen 50 Jahren im Glauben gewesen, dass die Wehrpflicht und der Staatsbürger in Uniform zum konservativen Tafelsilber gehört. Nun wird das Tafelsilber aus Spargründen verhökert, weil Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erkannt hat, dass die Bundeswehr andernfalls auch in den nächsten Jahren ihren Etat niemals einhalten kann und bei Wolfgang Schäuble wird um einen Nachschlag betteln müssen."
In dieselbe Kerbe schlägt der Trierische Volksfreund: "Die beabsichtigte Reform weist große konzeptionelle Schwächen auf, weil sie ausschließlich einer Spardebatte entstammt. Was die Bundeswehr künftig leisten soll, stand und steht nicht im Mittelpunkt, sondern ist die Resultate anderer Überlegungen." Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer lasse sich "seine Zustimmung damit erkaufen, dass Bayern von Standortschließungen verschont wird und die Gesamtzahl der Soldaten nicht so stark sinkt wie geplant. So werden hierzulande Wehrstrukturreformen gemacht: Geschacher zwischen Bund und Ländern."
Die Badischen Neuesten Nachrichten glauben nicht, dass die Abschaffung der Wehrpflicht finanziell viel bringt. Die "Verteidiger der Wehrpflicht" hätten "resignierend erkannt, dass sie gegen den eigenen höchst populären Minister keine Politik machen können". Ihre Devise sei nun Schadensbegrenzung, "sprich der Erhalt einer funktionsfähigen Bundeswehr in der Nato mit einer angemessenen Truppenstärke". Dafür jedoch brauche es "Milliarden Euro zusätzlich und kein Spardiktat".
Das Handelsblatt wiederum schlägt eine Dienstpflicht vor, um den "Zusammenhalt unserer immer stärker fragmentierten Gesellschaft" zu stärken. Die "Abschaffung, Pardon: Aussetzung der Wehrpflicht" sei notwendig, "obwohl viele in den Unionsparteien dieses Relikt immer noch beharrlich zum konservativen Markenkern zählen". Und weiter: "Sechs Monate sozialer Dienst für alle jungen Männer und Frauen wären … eine gute Alternative."
Die tageszeitung aus Berlin sieht die Abschaffung der Wehrpflicht kritisch. "Eine Berufsarmee besteht ausschließlich aus Soldaten, die freiwillig zum Militär gegangen sind. Internen demokratischen Strukturen, dem Prinzip der Inneren Führung, vor allem dem Leitbild vom Bürger in Uniform muss das nicht förderlich sein. Schlecht gelaunte Wehrpflichtige, die überall lieber wären als in der Kaserne, sind hervorragend geeignet, die Streitkräfte zu kontrollieren und Missstände aufzudecken."
Quelle: ntv.de