Röslers Gesundheitsreform Teurer Murks
06.07.2010, 19:58 UhrDie Gesundheitsreform der schwarz-gelben Regierung ruft ein fast einheitliches Echo hervor. Viel mehr, als dass die Preise steigen, hat Rösler nicht hinbekommen, meint n-tv.de. Und auch die Zeitungen liefern ein vernichtendes Urteil ab.
Das Hamburger Abendblatt formuliert: "Die Gesundheitspolitik ist das traurigste Zeugnis einer Koalition, die bis heute keine Balance zwischen politischer Wettbewerbsfähigkeit und Mannschaftsspiel finden konnte, ohne das keine großen Ziele umzusetzen sind." Vor allem CSU und FDP beharkten sich ohne Rücksicht auf Verluste eifersüchtig, weil sie teils um die gleiche Klientel buhlten und um bundesweite Aufmerksamkeit bedacht sein müssten. "Mit deutlichen Vorteilen für die Bayern, deren Anführer Horst Seehofer den öffentlichen Ärger über missglückte Regierungsoperationen wie etwa die verminderte Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen, ein Herzenswunsch alpenländischer Herbergsbetriebe, allein bei der FDP abladen konnte. Das Gesundheitsproblem wurde (…) nicht gelöst, Haushaltssanierung und Steuerreform stehen als noch größere Herausforderungen auf der Agenda. Lieb ist sie uns so nicht, diese Regierung, nur teuer."

"Ökonomische Unfähigkeit": Philipp Rösler, Gesundheitsminister.
(Foto: dpa)
Die Süddeutsche Zeitung glaubt nicht mehr an eine Reform: "Das Wort Gesundheitsreform langweilt, nervt. Zu viele Regierungen haben den Begriff für immer neue Gesetzesvorhaben benutzt und abgenutzt. Wann ist eigentlich Schluss, wann endlich kommt eine erfolgreiche, weil endgültige Reform? Die Antwort: nie." Das Anleiern immer neuer Reformen sei quasi die Jobbeschreibung eines Gesundheitsministers. Anders ließen sich die permanent ausufernden Kosten für Behandlungen und Medikamente nicht im Griff halten. "Den großen Wurf musste Minister Philipp Rösler kleinlaut begraben. Übrig blieb ein Etikettenschwindel ein als Reform getarntes Spar- und Geldbeschaffungspaket."
Die Rhein-Neckar-Zeitung urteilt hart, wenn sie schreibt: "Wenn es noch eines Beweises für die ökonomische Unfähigkeit der schwarz-gelben Koalition bedurft hätte: diese 'Gesundheitsreform' liefert ihn jedenfalls. Die Kosten steigen, die Beitragszahler werden - beinahe schon schamlos - zur Kasse gebeten und der Steuerzahler, also alle Arbeitenden zusammen, zahlen zusätzlich in die große Umverteilungskasse ein, wenn auch 173 Milliarden Euro nicht mehr reichen, um den Geldhunger der deutschen Krankenkassen und medizinischen Leistungserbringer zu stillen."
Der Tagesspiegel kommentiert: "Maximaler Einsatz für ein Mini-Ergebnis. Nie zuvor ist ein derart dürftiges Reförmchen mit solchem politischen und medialen Energieverbrauch einhergegangen. Und kaum jemals stand ein Ankündigungsminister am Ende so nackt da. Eine üppige Finanzspritze, für die man sich größtenteils bei den Arbeitnehmern bedient, dazu ein bisschen Kostendämpfung, die keinem wehtut. Den Kassen gefällt's. Aber mal ehrlich: Das hätte man auch in ein paar Tagen hinbekommen können. Dazu hätte es nicht mal eines Regierungswechsels bedurft."
Die Märkische Allgemeine kommt zu dem Schluss: "Die vermeintliche Reform, die der Minister (…) präsentierte, ist im Wesentlichen eine Beitragserhöhung und damit das genaue Gegenteil dessen, was die Liberalen vor der Wahl als Hoffnungszeichen vor sich hergetragen hatten." Es stiegen die Belastungen der Bürger und es stiegen die Belastungen der Wirtschaft. Beide habe man eigentlich entlasten wollen. Die Zusatzbeiträge seien der Rest der Kopfpauschale, so das Blatt.
Die Heilbronner Stimme fasst es so zusammen: "Gebrochene Versprechen am laufenden Meter. Steht nicht im Koalitionsvertrag, dass den Bürgern mehr Netto vom Brutto bleiben soll? Nur neun Monate später sind bereits alle guten Vorsätze verdunstet. Das unsoziale Sparpaket, das untere Einkommen und Familien belastet, findet im Gesundheitsbereich seine Fortsetzung." Wieder treffe es Kleinverdiener, Mittelstand und die Rentner besonders hart. "Der Aufschlag, den Kassen extra zum Mitgliedsbeitrag verlangen dürfen, gilt in Zukunft unabhängig vom Einkommen. Nichts wird einfacher, alles komplizierter. Das ist teurer Murks und keine vorausschauende Politik. Und eine Reform schon gar nicht."
Und die Kieler Nachrichten äußern sich ebenfalls eindeutig: "Einen großen Wurf hatte Schwarz-Gelb zum Amtsantritt in der Gesundheitspolitik versprochen. Genau das jedoch ist das (…) vorgelegte Konzept nicht. Die Grundsatzfrage, wie es gelingen kann, trotz steigender Gesundheitskosten und alternder Bevölkerung das System auf Dauer zu finanzieren, bleibt unbeantwortet." Wie schon die Vorgängerregierungen habe auch diese Koalition das bestehende System nur ein bisschen erweitert, sie habe Kassenlöcher gestopft und Zeit gewonnen. "Mehr aber nicht."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Jochen Müter