Charta für familienbewusste Arbeitszeiten "Thema verschwindet nun in Versenkung"
08.02.2011, 20:16 UhrBundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften haben sich mit der Unterzeichnung einer Charta zur Schaffung flexibler, familienbewusster Arbeitszeiten bekannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, Fortschritte hierbei seien auch ein Schlüssel, um mehr Frauen in Führungspositionen der Unternehmen zu bringen. Die Kanzlerin bekräftigte unter anderem, dass sie anders als Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) derzeit keinen Anlass für eine gesetzliche Frauenquote sehe. Sie verwies auf den Stufenplan von Familienministerin Kristina Schröder (CDU), die den Weg einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft für mehr Frauen in Spitzenpositionen favorisiert.
"Weil zunehmend Fachkräfte fehlen, wird die Familien-kompatible Ausgestaltung der Arbeitswelt zu einem entscheidenden Faktor bei der Stellenausschreibung. Trotzdem bleibt alles eine Frage des Geldes", konstatiert die Cellesche Zeitung und fügt hinzu: "Allein schon deshalb dürften den wohlklingenden Worten der (...) unterzeichneten Charta fürs erste keine weiteren Taten folgen".
Auch der Mannheimer Morgen ist skeptisch: "Es ist zu befürchten, dass das Thema nun in der Versenkung verschwindet und erst wieder auf die Tagesordnung kommt, wenn in zwei Jahren Bilanz gezogen wird. Kostbare Zeit, vor allem weil die deutsche Wirtschaft in Sachen Familienfreundlichkeit noch einen weiten Weg vor sich hat". Schließlich gehe es nicht einfach darum, ein paar Betriebs-Kindergärten oder Home-Office-Plätze einzurichten. Es gehe "schlichtweg um ein grundlegend neues Verständnis von Arbeit und Familie. Das ausgeklügeltste Teilzeitmodell ist nichts wert, solange eine Frau, die sich dafür entscheidet, von der Liste potenzieller Führungskräfte gedanklich gestrichen wird. Solange ein Mann, der Elternzeit in Anspruch nimmt, als nicht ehrgeizig genug gilt. Eine Führungskraft in Teilzeit - das ist in den meisten Firmen tabu".
Die in Heide herausgegebene Dithmarscher Landeszeitung bemerkt bissig: "Um eine ernstzunehmende Familienpolitik drückt sich Schröder. Die kostet nämlich Geld. Zum Beispiel für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Kommunen, damit diese genügend kostengünstige Betreuungsangebote schaffen können, weil gerade die zur zeitlichen Entlastung der Familien beitragen. Aber dafür fehlt der schwangeren Familienministerin offenbar die Einsicht. Denn sie selbst ist finanziell so ausgestattet, dass sie ein individuelles Hilfsnetz spannen kann, das ihr neben ihrem durchaus aufreibenden Beruf auch noch genügend Zeit fürs Kind lässt".
Für die Saarbrücker Zeitung heißt das Zauberwort "Flexibilität": "Die muss einhergehen mit mehr Vertrauen in den einzelnen Mitarbeiter und einer Kampfansage an die auf der Anwesenheit im Betrieb basierende Arbeitskultur, wo ständige persönliche Präsenz eine Karriere-Voraussetzung ist. Berufstätige Eltern, ob in Führungspositionen oder nicht, brauchen ein Zeitmanagement, das ihren individuellen Bedürfnisse entspricht. Am Ende könnten alle Seiten profitieren. Mit besseren Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf könnte sich schließlich das Thema Frauenquote fast von selbst erledigen".
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke