Rentendebatte in der SPD "Überflüssig wie ein Kropf"
20.08.2010, 21:02 UhrDer Rentenkompromiss der SPD ist überflüssig. Und er ist ein Fehler. Statt nun auch dem "Herummogeln um freudlose Botschaften" zu verfallen, wie man es eigentlich von Schwarz-Gelb kennt, sollten die Sozialdemokraten lieber die Wirklichkeit der demographischen Entwicklung betrachten. Die sagt alles.

Die Renteneinschnitte werden noch viel härter sein, als bisher angenommen, glaubt die Presse.
(Foto: APN)
"Wenn es dem Esel zu gut geht, heißt es, begibt er sich aufs Eis." Mit diesem Sprichwort kommentiert die Nürnberger Zeitung die Rentendebatte in der SPD, ergänzt jedoch sofort: "Nun wäre es vermessen, Sigmar Gabriel als Esel zu bezeichnen. Der Mann denkt schnell, er ist eloquent und hat als noch junger Chef der Sozialdemokraten die Partei zu besten Umfrageergebnissen seit langem geführt." Doch niemand sei vor Fehlern gefeit. "Und das Rütteln an der Rente mit 67 ist ein solcher. Wahrscheinlich hat das auch Gabriel schon eingesehen. Deshalb darf man neugierig zusehen, wie er demnächst zurückrudern wird."
"Welcher Parteivorsitzende außer Sigmar Gabriel macht eine Debatte über das Rückdrehen eigener Beschlüsse auf, von denen er weiß, dass sie richtig und alternativlos sind?", wundert sich die Märkische Allgemeine. "Längere Lebenszeit und demographischer Wandel sind besser belegt als der Klimawandel. Dass die Rentenkassen deshalb irgendwann aus dem Lot geraten, ist auch klar. Wenn man dann beklagt, dass zu wenige Menschen kurz vor dem Rentenalter in Arbeit sind, darf man keine Anreize zu Frühverrentung oder Altersteilzeit geben. Überflüssig wie ein Kropf ist die Debatte in der SPD aber auch, weil eine Regierung, die die Renten-Rolle-Rückwärts umsetzen könnte, gar nicht in Sicht ist. Auch die Grünen tragen solche unverantwortlichen Kapriolen nicht mit."
Der Eßlinger Zeitung kommt das Herumlavieren bekannt vor: "Bislang dachte man, die Kombination aus Verschieben von Entscheidungen und Formelkompromissen sei vor allem ein Kennzeichen der schwarz-gelben Bundesregierung. Doch auch in der SPD scheint das bequeme Herummogeln um freudlose Botschaften fröhlich Urständ zu feiern." Zwar sei man "in der Opposition in der komfortablen Situation, keine unpopulären Entscheidungen treffen zu müssen", doch so einfältig seien die Bürger nicht. "Sie sehen, was die SPD tut. Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit unserer demographischen Entwicklung wird voraussichtlich noch viel härtere Einschnitte in das Rentenniveau notwendig machen als bislang angenommen."
"Was die SPD so verunsichert, sind Phantomschmerzen des Übergangs, denn noch gilt die Rente ab 67 für niemanden. Bis man sie etwas stärker spürt, wird der demografische Wandel das Problem der mangelnden Beschäftigung Älterer von allein gerichtet haben", mutmaßt die Ludwigsburger Kreiszeitung. "Die Personalchefs werden ihnen noch hinterherlaufen. Freilich: Falls man dann noch immer abschlagsfrei früher in den Ruhestand gehen kann, wird sich kaum jemand locken lassen. Es wird also umgekehrt ein Schuh draus: Gerade die Beibehaltung der Altersgrenze 65 führt dazu, dass die Beschäftigungsquote niedrig bleibt."
Das Mindener Tageblatt glaubt nicht an einen Erfolg des Kompromisses: "Dummerweise haben Parteilinke, Gewerkschaften und breite Wählerkreise Gabriel unmittelbar beim Wort genommen. Diese einmal auf den Abschaffungsgeschmack gebrachten Geister wird der SPD-Vorsitzende mit dem nun ausgehandelten Kompromiss ganz sicher nicht los - schon gar nicht dürfte die Spätrente light eine kontroverse Diskussion auf einem Parteitag oder womöglich eine Mitgliederbefragung überstehen. Was aber, wenn die momentan im Umfragehoch segelnde SPD tatsächlich wieder an die Schalthebel der Macht käme und einen Parteibeschluss, gar ein Wahlversprechen zur Abschaffung der Rente mit 67 exekutieren müsste? Denn auch und gerade bei der Rente gilt: Die Grundrechenarten lassen sich nicht per Parteibeschluss außer Kraft setzen."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig