Pressestimmen

Hartz-IV-Hickhack und kein Ende "Verzweifelt den Kopf schütteln"

Die SPD verhindert im Bundesrat vorläufig die Hartz-IV-Reform von Ministerin von der Leyen - und wirft ihr bei n-tv.de vor, den Umbau verschleppt zu haben. Eine Debatte im Vermittlungsausschuss wird folgen. Die deutschen Tageszeitungen nehmen verschiedene Aspekte in den Blick.

Die Berliner Zeitung sieht Ministerin von der Leyen gestärkt: "Der Bundesrat hat die Hartz-Reform gestoppt. Gut möglich, dass die Bundesarbeitsministerin den SPD-Ländern insgeheim dafür dankbar ist. Ursula von der Leyen kann nun mit dem Finger auf die Sozialdemokraten zeigen und ihnen die Schuld daran zuweisen, dass der Hartz-IV-Satz zum 1. Januar nicht erhöht wird, und es zunächst auch das Bildungspaket nicht geben wird. Es wäre peinlich gewesen für Ursula von der Leyen, wenn das Gesetz zwar in Kraft getreten wäre aber am 1. Januar doch nur zur Hälfte zufriedenstellend funktioniert hätte. Manchmal kann eine störrische Opposition recht hilfreich sein für die Regierung."

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(Foto: dpa)

Die Westfälischen Nachrichten wagen einen Blick in die Zukunft: "Entscheidend ist das Bildungspaket. Hier muss ein Kompromiss her und zwar rasch. Von der Leyens Gutscheine sind den Sozialdemokraten zu wenig. Die Ministerin wird wohl nachbessern müssen. Aber die SPD sollte verraten, wo sie das Geld an anderer Stelle einsparen will. Der politische Hickhack um Hartz IV gibt einen Vorgeschmack auf die Zeiten, die sich für Schwarz-Gelb nach den kommenden Landtagswahlen im März einstellen könnten."

Die Märkische Allgemeine aus Potsdam schreibt: "Zeit genug hätte es für Regierung und Opposition gegeben, um bei der Reform von Hartz IV einen sinnvollen Kompromiss auszuhandeln. Seit Monaten schon liegen die Vorstellungen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen auf dem Tisch. Doch in der Politik gelten leider nicht nur die Gesetze der Vernunft. Bei wichtigen Themen wird oft erst unter massivem Zeitdruck eine Lösung gefunden. Doch mit dem Zeitdruck steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Fehlern und faulen Kompromissen. Sowohl die Mischverwaltung von Arbeitsagentur und Kommunen bei den Jobcentern als auch die Berechnungsgrundlage der Hartz-IV-Sätze für Kinder wurden seinerzeit vom Verfassungsgericht für rechtswidrig erklärt. Bleibt zu hoffen, dass die erneute Hängepartie bei Hartz IV nicht wieder zu Versäumnissen führt."

Die Pforzheimer Zeitung fordert eine ganz andere Diskussion: "Bildung und Ausbildung, heißt es immer, seien die wirksamsten Mittel, um in der Welt der Erwachsenen auf eigenen Beinen stehen zu können. Insofern müssen sich all diejenigen, die die Reform gestern im Bundesrat gestoppt haben, ehrlich fragen, ob ihr Verhalten denn den eigenen Ansprüchen genügt. Wirklich sozial und gerecht wäre es, endlich nicht mehr über die Dimension der Umverteilungsmaschinerie in diesem Land zu diskutieren. Sondern über das eigentlich zentrale Problem: Wie schaffen wir es, dass alle Menschen in diesem Land - echte Notfälle ausdrücklich ausgenommen - ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können?"

Die Ludwigsburger Kreiszeitung betrachtet die Rolle der Kanzlerin: "Angela Merkel ist erst spät auf einen 'Herbst der Entscheidungen' umgeschwenkt, an den sich nach Lage der Dinge nun fast zwangsläufig wieder eine Zeit der Kompromisse mit dem politischen Gegner anschließen muss. Ob sie ihre Partei, die CDU, dabei mitnehmen kann, steht auf einem anderen Blatt. Denn das Feilschen um Kompromisse bedeutet auch immer eine Verwischung des eigenen politischen Profils. Wer jedoch dieses Risiko scheut, beschwört eine politisch blockierte Republik herauf. Nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition muss aber an einer zügigen Einigung interessiert sein, ohne dabei den Bogen zu überspannen. Für Merkel sind das nicht die schlechtesten Ausgangsbedingungen, um in die Zeit der All-Parteien-Kompromisse zu wechseln. Zurück in ihre alte Rolle als Moderatorin."

Die Frankfurter Neue Presse fragt nach den Gesamtfolgen der Diskussion: "Und die Bürger? Die können was auch immer jeder einzelne von einer Hartz-Reform inhaltlich erwartet angesichts dieser Schauspieler auf der Hauptstadtbühne nur noch verzweifelt den Kopf schütteln. Hier geht es nicht mehr um Inhalte, hier geht es nicht um gute Regierungsführung, verantwortungsvolle Oppositionsarbeit oder gar ein Zusammenwirken der Parteien zum Wohl des Volkes. Hier geht es leider nur noch um parteitaktische Spielchen im Vorfeld der kommenden Landtagswahlen. Und es ist genau das, was viele Wählern mittlerweile erzürnt und nur noch mit Grauen nach Berlin schauen lässt: Dass Taktik vor Verantwortung rangiert."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Thomas Schmitt

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