Pressestimmen

Milliardenüberschuss für den Fiskus "Volle Kassen sind verführerisch"

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Die deutsche Wirtschaft wächst trotz der Euro-Krise. Dem Fiskus beschert das ein sattes Plus in der Staatskasse. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung nahmen zusammen 8,3 Mrd. Euro mehr ein, als sie ausgaben. Ein Lob bekommt die Bundesregierung dafür aber nicht. Die Presse ist skeptisch.

Der Reutlinger General-Anzeiger bemängelt, dass es beim aktuellen Milliardenüberschuss für Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen eine gravierende Unwucht gibt. "Wenn man sich das Zahlenwerk der Statistiker genauer ansieht, dann zeigt sich, dass Renten-, Gesundheits- und Sozialkassen ein 11-Milliarden-Plus verzeichnen, während der Bund ein Minus von 6,9 Milliarden Euro einfährt." Insgesamt steht Deutschland laut dem Blatt hervorragend dar, da bei den sogenannten Maastrichtkriterien für den Euro die gesamtstaatlichen Schulden bewertet werden. "Doch für Finanzminister Wolfgang Schäuble bleibt die Mahnung: Wann, wenn nicht jetzt, sollte der Bundeshaushalt saniert werden?"

(Foto: picture alliance / dpa)

Auch der Tagesspiegel kritisiert vor allem, dass die Bundesregierung noch nicht richtig gelernt hat, zu sparen: Als Angela Merkel im Jahr 2005 die Amtsgeschäfte - erst mit der SPD, ab 2009 mit der FDP - übernahm, zahlten die Steuerzahler laut dem Blatt 452 Milliarden Euro an den Fiskus. Im vergangenen Jahr waren es danach satte 121 Milliarden Euro mehr. "Und in diesem Jahr könnte das alles von neuen Rekordeinnahmen nochmals übertroffen werden - sagt das Bundesfinanzministerium. Aber ausgeglichene Haushalte? Fehlanzeige!" Die Zeitung bekrittelt, dass die Ausgaben die gestiegenen Einnahmen weiterhin exorbitant übertreffen. "Neue Schulden, trotz nie dagewesener Einnahmen. Das führte unter anderem dazu, dass jeder achte Euro für Schuldzinsen des Bundes ausgegeben werden muss, für Bildung und Forschung ist es nur jeder 25. Euro."

Ähnlich sieht das die Ludwigsburger Kreiszeitung: "Selbst in der besten wirtschaftlichen Situation gelingt es Deutschland nicht, seine Verschuldung abzubauen", heißt es in dem Blatt. "Und die liegt noch immer bei 80 Prozent der Wirtschaftsleistung, bei über zwei Billionen Euro." Die Ankündigung der CDU, nun 2013 statt 18,8 nur noch zehn Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen, tröstet die Zeitung kaum. "Wenn in solchen goldenen Zeiten die Finanzen nicht grundlegend saniert werden, wenn man dann nicht auf null Euro Neuverschuldung gehen kann - wann sonst eigentlich?"

Die Nürnberger Zeitung zeigt sich aus einem anderen Grund besorgt: "Volle Kassen sind verführerisch", schreibt das Blatt: "Ein Jahr vor der Wahl sitzt der Geldbeutel locker. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Bundesrepublik mit rund zwei Billionen Euro in der Kreide steht."

Auch die Landeszeitung aus Lüneburg befürchtet, dass die Bundesregierung falsche Begehrlichkeiten befriedigen könnte. Allerdings nicht die der Deutschen: "Ausgerechnet mitten in der Euro-Krise legt Deutschland Zahlen vor, die auf Bewunderung stoßen und Begehrlichkeiten wecken müssen. Mit zunehmender Verzweiflung in den südeuropäischen Krisenländern steigt das Maß an Unverständnis über die unnachgiebigen Deutschen, die dem notleidenden Rest nichts abgeben wollen, obwohl die Kassen überquellen." Die Kanzlerin wird laut der Zeitung so noch mehr in die Rolle der Gejagten gedrängt. "Sie wäre dennoch gut beraten, nicht vorschnell zur Beute der Gebeutelten zu werden. Denn das Prinzip Leistung nur bei Gegenleistung sollte gewahrt bleiben."

Allein das Hamburger Abendblatt gewinnt dem Überschuss eine wirklich positive Seite ab: "Die Steuereinnahmen sprudeln wie verrückt, die Rentenkasse läuft über, trotz Euro-Krise leben die Deutschen auf einer Insel der zwei Wunder: Arbeitsmarkt und Preisstabilität entwickeln sich gut." Laut der Zeitung ist das der zweithöchste Überschuss bei den gesamten Staatseinnahmen in einem Halbjahr seit der Wiedervereinigung. "Das ist nicht irre, das ist der Fleiß der Bürger", so das Fazit. Laut der Zeitung machen die Bürger vor, wie Haushalten funktioniert. "Trotz Euro-Krise gibt es kein Angstsparen bei denen, die noch ein paar Euro zu verteilen haben. Geldausgaben und -einnahmen halten sich in den meisten Familien die Waage. Jetzt müsste nur noch die Politik beweisen, dass sie ebenso diszipliniert ist wie ihr Volk."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmidt

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