Pressestimmen

Seehofer droht mit dem Ende der Bundesregierung "Weltmeister der leeren Drohungen"

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Seehofer droht mit dem Bruch der Koalition, wenn noch mehr Geld an EU-Krisenstaaten fließt. Wieder einmal. Die deutsche Presse erkennt darin reinen Populismus, der vor allem der CSU in Bayern nutzen soll. Doch einige Kommentatoren geben zu bedenken: "In der Sache hat Seehofer durchaus recht."

Sehr kritisch befasst sich die Berliner Zeitung mit den Äußerungen Seehofers: "In der schwarz-gelben Koalition hat Horst Seehofer die Basta-Rolle eingenommen und findet fast wöchentlich einen Anlass für großen Zorn: Wahlniederlage - so geht das nicht! Her mit dem Betreuungsgeld, sonst platzt die Koalition! Und, gerade aktuell: Keine neuen Zusagen an Euro-Krisenstaaten, sonst geht die CSU! Da übt sich einer in Entschlossenheit, der seinen Ruf als unsteter Geist loswerden möchte. Da will einer Stärke zeigen - und zeigt damit doch eher seine Schwäche", schreibt der Kommentator.

Seehofer droht erneut mit dem Ende von Schwarz-Gelb auf Bundesebene.

Seehofer droht erneut mit dem Ende von Schwarz-Gelb auf Bundesebene.

(Foto: dapd)

"Gut gebrüllt, Löwe?", fragt sich der Schwarzwälder Bote aus Oberndorf, für den die Drohungen ins Leere laufen: "Horst Seehofer droht wieder mit dem Ende der Berliner Koalition. Mutig? Mitnichten! Super-Horsts Muskelspiele sind für ihn gänzlich ungefährlich, denn die Kanzlerin hat beim Poker auf glattem EU-Parkett nie einen Zweifel daran gelassen, dass die bis über die Halskrause verschuldeten Südeuropäer keine Leistung ohne Gegenleistung, sprich: eisernen Reformwillen, erwarten können. Seehofer mahnt also genau das an, was Merkel längst umsetzt. Ganz schön populistisch, dieser Budenzauber", heißt das abschließende Urteil der Zeitung.

Es gehe bei Seehofers Äußerungen um den Machterhalt der CSU in Bayern, urteilt die Badische Zeitung aus Freiburg: "Um den steht es bekanntlich erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht sonderlich günstig. Seitdem wirft Seehofer mit starken Worten nur so um sich. Mal gibt er den Kraftprotz und mal auch bloß den angeblich ach so hippen Facebook-Partylöwen. Überzeugend wirkt er weder im einen noch im anderen Fall", lautet das Urteil der baden-württembergischen Zeitung, die Seehofers Äußerungen sogar für gefährlich hält: "Man könnte darüber achselzuckend hinwegsehen, müsste man nicht befürchten, dass Seehofer in seiner Bedrängnis die Schuldenkrise fortan noch häufiger zur eigenen Profilierung missbraucht. Angesichts der dramatischen Lage in der Eurozone ist dies so ziemlich das Letzte, was Europa und insbesondere auch die Bundesrepublik gebrauchen können. Was jetzt gut täte, wären sachkundige Lösungsvorschläge, nicht Effekthascherei."

"CSU-Chef Horst Seehofer ist ein Weltmeister der leeren Drohungen", heißt es in der Neuen Westfälischen aus Bielefeld. "Deshalb wird er die schwarz-gelbe Koalition auch jetzt nicht einfach an die Wand fahren. Was Merkel an Seehofer beunruhigen muss, ist vielmehr die Tatsache, dass in der Union immer mehr so denken wie der Bayer", gibt die Zeitung zu bedenken, verweist aber auch auf den Handlungsspielraum der Kanzlerin: "Danach soll Merkel in der Eurokrise möglichst stur an roten Linien festhalten und sich keinen Millimeter bewegen. Aber damit wird die Bundeskanzlerin in Europa nicht mehr durchkommen."

"Wer so oft mit dem Schlimmsten droht, läuft Gefahr, nicht mehr ernst genommen zu werden", meint Die Glocke aus Oelde, schränkt aber gleichzeitig ein: "Das wäre schade, denn in der Sache hat der streitbare Bayer durchaus recht. Die finanziellen Zugeständnisse, die Kanzlerin Angela Merkel beim Brüsseler Gipfel den von Frankreich unterstützten angeschlagenen Euro-Südstaaten Italien und Spanien machte, kommen einer Grenzüberschreitung gleich. Deutschland wird immer stärker in die Haftung genommen. Im Gegenzug verstärkt sich der Eindruck, dass die Schuldnerländer strikte Auflagen und Reformvorgaben weiter aufweichen wollen."

Auch der Mannheimer Morgen zielt in seinem Kommentar nicht nur auf die Drohrhetorik Seehofers ab, sondern verweist auch auf seine inhaltlichen Forderungen: "Seehofer bläst gerne die Backen auf. Ihm ist das bayerische Hemd näher als der europäische Rock. Man könnte also zur Tagesordnung übergehen, wenn er nicht das aussprechen würde, was die Bundesbürger bewegt. Denn der Ärger über eine Aufweichung der strengen Konditionen für die Schuldenländer wächst, seitdem Merkel auf dem Brüsseler EU-Gipfel zu Zugeständnissen an Italien und Spanien gezwungen war", stellt die Zeitung fest, die Verständnis für Seehofers Drohen hat: "Es kann schließlich nicht sein, dass die Bundesregierung rote Linien überschreitet, die sie selbst zuvor gezogen hat. Das muss Seehofer sagen dürfen. Wer dem Unmut im Land eine Stimme gibt, ist damit nicht gleich ein Populist. Schade nur, dass Seehofer diese Kritik erst jetzt einfällt, nachdem er im Bundesrat dem Rettungspaket zugestimmt hat.

Quelle: ntv.de

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